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"Wir werden Angriffe auf Repräsentanten einstellen"

Die RAF erklärt den Verzicht auf Gewalt. Die taz dokumentiert das Schreiben, das 1992 bei der Nachrichtenagentur AFP in Bonn einging

(...) wir, die raf, haben seit 89 angefangen, verstärkt darüber nachzudenken und zu reden, dass es für uns wie für alle, die in der brd eine geschichte im widerstand haben, nicht mehr so weitergehen kann wie bisher. wir haben überlegt, dass es darum geht, neue bestimmungen für eine politik herauszufinden, die tatsächliche veränderungen für das leben der menschen heute durchsetzen kann und die längerfristig den herrschenden die bestimmung über die lebensrealität ganz entreisst. dafür ist es notwendig, sich die eigene bzw. gemeinsame geschichte aller im widerstand anzusehen, darüber nachzudenken, was wir falsch gemacht haben (...) ausgangspunkt war:

1.die tatsache, dass wir alle vor einer völlig veränderten situation im weltweiten kräfteverhältnis standen - die auflösung des sozialistischen staatensystems, das ende des kalten krieges. wir waren damit konfrontiert, dass die vorstellung, im gemeinsamen internationalen kampf einen durchbruch für befreiung zu schaffen, nicht aufgegangen ist. (...)

2.wir selbst waren damit konfrontiert, dass wir so, wie wir in den jahren vor 89 politik gemacht haben, politisch nicht stärker, sondern schwächer geworden sind. wir haben aus verschiedensten gründen keine anziehungskraft mehr für die menschen hier entwickelt, die gemeinsames handeln möglich macht.(...)

uns ist klar geworden, (...) dass es so nicht weitergeht, dass wir als guerilla alle entscheidungen allein treffen und die anderen sich an uns orientieren. (...) wir hatten unsere politik ganz stark auf angriffe gegen die strategien der imperialisten reduziert, und gefehlt hat die suche nach unmittelbaren positiven zielen und danach, wie eine gesellschaftliche alternative hier und heute schon anfangen kann zu existieren. dass das hier möglich ist, dass es geht, so etwas anzufangen, haben uns die erfahrungen, die andere erkämpft haben, gezeigt. die verhältnisse zu den leuten, mit denen wir am meisten zu tun hatten, waren aber in erster linie darüber bestimmt, gemeinsam zum angriff zu kommen. deshalb gab es in der bestimmung gar nicht den raum, dass sie eigene soziale werte in ihrem alltag und mit vielen zusammen entwickeln und leben konnten.

daraus hatten wir die konsequenzen gezogen und zwei jahre lang einen parallelen prozess von neubestimmung und praktischen interventionen versucht. (...) dass wir unseren prozess nicht nachvollziehbar, sondern nur bruchstückhaft als ergebnis unserer diskussion in den erklärungen und briefen vermittelt haben, war ein fehler. (...)

wir denken, (gemeinsame Diskussionen und) zusammenhänge können die basis werden von der kraft, die wir gegenmacht von unten genannt haben und die so noch nicht lebt. solange eine solche gesellschaftliche alternative zur zerstörung und verzweiflung im system nicht spürbar und greifbar existiert, werden es immer mehr werden, die ausgegrenzt und ohne perspektive alleine bleiben, immer mehr, die an der nadel verrecken oder in den selbstmord getrieben werden usw., und es wird dabei bleiben, dass immer mehr leute den faschisten hinterherlaufen.

aus unseren erfahrungen und aus den diskussionen mit genossInnen über alle diese fragen steht für uns heute fest, dass die guerilla in diesem prozess von aufbau nicht im mittelpunkt stehen kann. gezielt tödliche aktionen von uns gegen spitzen aus staat und wirtschaft können den jetzt notwendigen prozess im moment nicht voranbringen, weil sie die gesamte situation für alles, was in anfängen da ist, und für alle, die auf der suche sind, eskalieren. (...)

WIR HABEN UNS ENTSCHIEDEN, DASS WIR VON UNS AUS DIE ESKALATION ZURÜCKNEHMEN. DAS HEISST, WIR WERDEN ANGRIFFE AUF FÜHRENDE REPRÄSENTANTEN AUS WIRTSCHAFT UND STAAT FÜR DEN JETZT NOTWENDIGEN PROZESS EINSTELLEN.

dieser prozess von diskussionen und aufbau einer gegenmacht von unten schliesst für uns als einen ganz wesentlichen bestandteil den kampf für die freiheit der politischen gefangenen mit ein. aus 20 jahren ausnahmezustand gegen die gefangenen, folter und vernichtung, geht es jetzt darum, ihr recht auf leben durchzusetzen - ihre freiheit erkämpfen!

justizminister kinkel hat mit seiner ankündigung im januar, einige haftunfähige gefangene und einige von denen, die am längsten im knast sind, freizulassen, das erste mal von staatlicher seite offen gemacht, dass es fraktionen im apparat gibt, die begriffen haben, dass sie widerstand und gesellschaftliche widersprüche nicht mit polizeilich-militärischen mitteln in den griff kriegen. gegen die gefangenen haben sie seit 20 jahren auf vernichtung gesetzt. die kinkel-ankündigung wirft die frage auf, ob der staat dazu bereit ist, aus dem ausmerz-verhältnis, das er gegenüber allen hat, die für ein selbstbestimmtes leben kämpfen, die sich nicht der macht des geldes beugen, die eigene interessen und ziele entgegen den profitinteressen formulieren und umsetzen. also ob er raum für politische lösungen zulässt (und wenn auch vertreter aus der wirtschaft dahingehend druck auf die regierung machen, kann das nur gut sein).

wir werden uns genau ansehen, wie ernst der kinkel-vorstoss ist. bis jetzt ist nicht viel davon zu sehen, ausser das claudia wannersdorfer nur einige monate bevor sie sowieso entlassen worden wäre, rausgekommen ist. alle anderen haftunfähigen - günter sonnenberg, bernd rössner, isabel jacob, ali jansen - sind noch immer drin. und irmgard möller, nach 20 jahren immer noch im knast. (...)

DIE HAFTUNFÄHIGEN UND DIE GEFANGENEN, DIE AM LÄNGSTEN SITZEN, MÜSSEN SOFORT RAUS UND ALLE ANDEREN BIS ZU IHRER FREILASSUNG ZUSAMMENKOMMEN!

es ist eine wichtige weichenstellung, ob sich in nächster zeit was in diese richtung bewegt: (...) setzt sich im apparat die fraktion durch, die einsieht, dass sie anfangen müssen, zugeständnisse für politische lösungen zu machen, oder setzen sich die scharfmacher und eisenfresser durch. das wird sich nicht nur am staatlichen verhalten gegenüber den politischen gefangenen zeigen. es gibt auch andere brennpunkte, an denen diese weichenstellung ganz unmittelbar sichtbar wird. (...) zum beispiel, ob sie den leuten in der hafenstrasse nach zehn jahren kampf weiterhin ihre existenzberechtigung streitig machen. aber langfristig geht es ja um viel mehr: (...) es darf nicht so laufen, dass die politischen gefangenen aus den vernichtungstrakten kommen und danach andere hinein. alle isolationstrakte müssen geschlossen werden! (...)

-es wird sich zeigen, inwieweit die menschen in der ex- ddr weiterhin im schnellverfahren zu willenlosen objekten in das kapitalistische system gepresst werden sollen oder sie raum erobern können, die entwicklung selbst zu bestimmen.

-es ist eine wichtige frage, wie lange noch der staat den rassismus gegen die flüchtlinge schüren und sie als "untermenschen" behandeln kann, um sich und die wirtschaft damit aus der verantwortung für arbeitslosigkeit, wohnungsnot, altersarmut usw. zu ziehen. und wie lange er noch diese menschen wieder ins elend zurückschicken kann, das er ständig mit produziert. (...)

vor allem daran, wie an allen diesen fragen (...) kämpfe in der gesellschaft entwickelt werden, wird sich entscheiden, wie weit hier ein politischer raum für lösungen erkämpft werden kann. (...) wir haben von uns aus jetzt mit der rücknahme der eskalation aus der auseinandersetzung einen schritt gemacht, um diesen politischen raum aufzumachen. jetzt ist die staatliche seite gefragt, wie sie sich verhält; und weil das heute noch niemand weiss, wollen wir den prozess von diskussion und aufbau schützen.

wenn sie diejenigen, die diesen prozess für sich in die hand nehmen, mit ihrer walze aus repression und vernichtung plattmachen, also weiter auf krieg gegen unten setzen, dann ist für uns die phase des zurücknehmens der eskalation vorbei - wir werden uns das nicht tatenlos anschauen. wenn sie uns, also alle, die für eine menschliche gesellschaft kämpfen, nicht leben lassen, dann müssen sie wissen, dass ihre eliten auch nicht leben können. auch wenn es nicht unser interesse ist: krieg kann nur mit krieg beantwortet werden. rote armee fraktion 10.4.1992

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