Kommentar: Lohnverzicht gegen Gewinnbeteiligung

Kurt Beck macht sich für einen "Deutschlandfonds" stark. Bürger werden zu bedeutenden Aktionären der Großkonzerne? Schön wärs.

Den deutschen Firmen geht es bestens - aber ihre Arbeitnehmer haben wenig davon. Das macht den Regierungsparteien zu schaffen, denn Wahlen sind nur zu gewinnen, wenn die Bürger das Gefühl haben, dass es nicht allzu ungerecht zugeht im Land. Union und SPD sind daher auf einen schlichten Trick verfallen: Wenn die Gewinne der Unternehmen steigen - dann müssen die Arbeitnehmer eben an diesen Profiten beteiligt werden. Sie sollen Anteile an ihren Firmen erwerben. So werden die Beschäftigten zu Kapitalisten. Klassenkampf, das war einmal.

Diese Idee ist keinesfalls neu. Seit den 70er-Jahren wird sie unter immer neuen Namen diskutiert. Früher hieß sie Mitarbeiterbeteiligung, im letzten Herbst schwärmten CDU und SPD dann für einen "Investivlohn". Jetzt propagiert SPD-Chef Kurt Beck den "Deutschlandfonds", und die Union arbeitet an einem ähnlichen Projekt.

Immerhin bietet der "Deutschlandfonds" eine wesentliche Neuerung: Die Arbeitnehmer sollen nicht mehr in ihre eigene Firma investieren, sondern in einen deutschlandweiten Unternehmens- pool. Damit soll verhindert werden, dass sie gar keine Rendite sehen, falls ihr Betrieb Konkurs anmeldet. Beck setzt also auf das klassische Instrument des Asset-Managements: Risikostreuung. Das wirkt schlau, ist aber nur teuer. Denn ein solcher Fonds erfordert Verwaltung und Manager. Wird der Fonds von einer privaten Bank betrieben, wird sie auch noch eine Gewinnmarge für sich selbst verlangen. Dieses Modell ist bereits bei der Riester-Rente bekannt: Auch sie ist eine staatlich geförderte Gewinnmaschine für Versicherungen und Banken.

Der Titel "Deutschlandfonds" erinnert nicht zufällig an Deutschland-AG. Es wird suggeriert, alle Bürger könnten zu bedeutenden Aktionären der Großkonzerne aufsteigen. Schön wärs. Doch tatsächlich wären die Fonds für die Arbeitnehmer ein schlechtes Geschäft. Denn die Arbeitgeber würden ihre Mitarbeiter ja nicht kostenlos mit Anteilen versorgen. Der Deal wäre: Lohnverzicht gegen Gewinnbeteiligung. Für die Arbeitnehmer würde eine Zitterpartie beginnen. Löhne sind sicher, Firmengewinne sind es nicht.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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