Kommentar: Automatische Gesichtsverkennung

Biometrische Fotofahndung ist technisch noch nicht ausgereift und verdächtigt öfters mal die Falschen. Ein flächendeckender Einsatz wäre deshalb grundgesetzwidrig.

Das klingt doch ganz nach Schäubles Geschmack: Jede Überwachungskamera im öffentlichen Raum gleicht die aufgenommenen Gesichter automatisch mit den Fahndungsfotos gefährlicher Terroristen ab. Erstaunlicherweise hat der Innenminister das noch nicht gefordert. Seit gestern weiß man auch, warum: Die Technik ist noch nicht so ausgereift. Im Schnitt wurden nur 30 Prozent der Testpersonen bei einem BKA-Versuch im Mainzer Hauptbahnhof erkannt.

Damit ist die Idee aber sicher noch nicht vom Tisch. Denn bei guten Lichtverhältnissen haben die Gesichtserkennungssysteme immerhin 70 Prozent der Testpersonen erkannt - und dieses Ergebnis lässt sich sicher steigern. Früher oder später wird es also wohl neue Modellversuche geben.

Dass BKA-Chef Ziercke wenig Interesse an weiteren Tests zeigt, hat einen anderen Grund. Es ist nämlich eher unwahrscheinlich, dass ein Top-Terrorist ausgerechnet am Mainzer Hauptbahnhof vorbeikommt. Dafür aber teure und personalintensive Technik vorzuhalten, lohnt nicht. Und wenn der Terrorist nicht nur erkannt, sondern auch noch festgenommen werden soll, dann müssen sich weitere Polizisten ständig in unmittelbarer Nähe aufhalten, bevor der Verdächtige wieder in der Menge verschwindet. Aus bürgerrechtlicher Sicht kommt es außerdem darauf an, dass so wenig wie möglich Personen von der Polizei falsch verdächtigt werden. Im Mainzer Versuch wurden die Systeme so eingestellt, dass nur 0,1 Prozent der Passanten irrtümlich als "gesuchte Person" eingestuft wurden. Das klingt wenig, waren aber doch 23 Personen pro Tag. Das ist natürlich viel zu viel, gerade wenn es um Terrorfahndung geht. Und da kann man, wie ein Vorfall in London gezeigt hat, auch schnell mal aus Versehen erschossen werden.

Ein flächendeckender Einsatz von Gesichtserkennungsystemen würde aus Deutschland aber auch einen Überwachungsstaat machen und wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Das sieht übrigens auch BKA-Chef Ziercke so. Bei Wolfgang Schäuble kann man da nicht so sicher sein.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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