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Reiche trinken aus der Flasche

Sauberes Wasser ist ein strategisches Gut geworden. Doch nicht überall, wo es an genießbarem Wasser mangelt, ist das Süßwasser wirklich knapp.

Als die Bundeswehr vor vier Jahren zu ihrem ersten EU-Militäreinsatz in Afrika aufbrach, war ihre Aufgabe die eines Wasserträgers: Deutsche Soldaten flogen französisches Mineralwasser für ihre französischen Kollegen aus Dschibuti nach Uganda. Wenn demnächst im sudanesischen Kriegsgebiet Darfur die größte UN-Blauhelmmission beginnt, wird das größte logistische Problem nicht die Verteilung von Hilfe oder der Einflug von Ausrüstung sein, sondern der Transport von Wasser für den Einsatz selbst.

Weltwasserwoche

Mit dem Problem der ungleichen Verteilung von Trinkwaaserressourcen beschäftigt sich die diesjährige Weltwasserwoche, die am Sonntag in Stockholm beginnt. Die 2.500 internationalen Experten - Wissenschaftler, Wassermanager, Regierungsvertreter und NGO-Aktivisten - wollen insbesondere die Frage erörtern, wie sich der Klimawandel auf die Wasserversorgung auswirkt und wie diese unter sich wandelnden Bedingungen gewährleistet werden kann.

Die 26.000 Soldaten, Polizisten und zivilen Mitarbeiter werden mehr Trinkwasser haben als die sechs Millionen Einwohner Darfurs. Für den Import des Wassers sind neue Flugpisten und gigantische Luftbrücken erforderlich, die man zur Versorgung der lokalen Bevölkerung als viel zu teuer ablehnen würde. Während manche Sudanesinnen sieben Stunden in 45 Grad Hitze zur Quelle hin- und wieder zurücklaufen müssen, um 20 Liter schmutziges Wasser für den täglichen Bedarf ihrer Familie zu schöpfen, wird für die Soldaten und Helfer versiegeltes Wasser eingeflogen.

Eine der sichtbarsten Grenze zwischen Oben und Unten auf der Welt verläuft zwischen den wenigen, die sich abgefülltes Mineralwasser aus Plastikflaschen leisten können, und dem großen Rest, der auf eine unzuverlässige öffentliche Versorgung, Standhähne in Höfen oder gar Flüsse, Seen und Erdlöcher angewiesen ist. Der durschnittliche Europäer benutzt jeden Tag 200 Liter Wasser, der durschnittliche Nordamerikaner 400 Liter, der Durchschnittsarme in einem Entwicklungsland 10 Liter, für die er oft einen höheren Preis bezahlt als der Bewohner eines Industrielandes. Leere Wasserflaschen gehören in armen Ländern zu den begehrtesten Bettelgütern für Straßenkinder.

Sauberes und genießbares Wasser ist ein strategisches Gut geworden, vielerorts teurer als Benzin und schwerer zu bekommen als Waffen. Manche der Länder, in denen am wenigsten Menschen Zugang zu sauberem Wasser haben, gehören zu denen mit den größten Süßwasservorräten. Das regnerische, tropische Papua-Neuguinea liegt mit einer Zugangsrate von nur 39 Prozent der sechs Millionen Einwohner zu sauberem Wasser weltweit auf dem fünftletzten Platz, obwohl die jährlich erneuerbare Süßwassermenge dort über viermal so hoch ist wie in Deutschland mit seien 82 Millionen Einwohnern. Die Demokratische Republik Kongo rangiert mit sechs Kubikmetern pro Kopf im Jahr auf der Rangliste des Trinkwasserverbrauchs an letzter Stelle, obwohl die Süßwasservorräte des Landes nur von Brasilien, Russland, Kanada, den USA, Indonesien, China und Peru übertroffen werden.

Klimawandel und rasante Verstädterung werden in den nächsten Jahren die bestehenden Ungleichheiten noch vergrößern. Den Projektionen des UN-Panels zum Klimawandel zufolge werden die verfügbaren Wassermengen vor allem dort am stärksten abnehmen, wo es schon am wenigsten gibt: vor allem in Afrikas Sahelzone, die sich von Mauretanien nach Somalia quer über den Kontinent erstreckt. Dort wird Trockenheit und Dürre immer öfter Menschen ins Elend stürzen; gesellschaftliche Konflikte, militärische Auseinandersetzungen und Migrationsbewegungen werden zunehmen. Und das Auftauen von Teilen des sibirischen und kanadischen Permafrosts wird demgegenüber weite Landstriche der ohnehin wasserreichen Subpolarregionen in versumpfte und moskitoverseuchte Feuchtigkeitshöllen verwandeln.

Die am schnellsten wachsenden Megastädte der Welt - in Indien, Nigeria, Indonesien oder Brasilien - liegen zwar meist in relativ wasserreichen Gebieten. Aber ihr Wachstum führt zu ökologischen Problemen, und die Herausforderung, städtische Ballungsräume mit bis zu 20 Millionen meist sehr armen Einwohnern adäquat mit sauberem Wasser zu versorgen, erfordert Milliarden. Die nötigen Kapitalinvestitionen für funktionierende städtische Wasser- und Abwassersysteme weltweit belaufen sich nach Expertenschätzungen auf unvorstellbare 2,3 Billionen Dollar in den nächsten zwanzig Jahren.

Paradoxerweise wird sich die globale Wasserkrise in dem Maße verschärfen, indem andere Bemühungen zur Armutsbekämpfung Erfolg haben. Wenn die UN-Millenniumsziele zur Halbierung der Armut in der Welt bis 2015 erreicht werden, steigt der globale Nahrungsbedarf stärker, als wenn mehr Menschen arm bleiben. Und ein höherer Nahrungsbedarf bedeutet einen höheren Wasserverbrauch zum Getreideanbau. Angaben der UN zufolge wird der Anteil der Weltbevölkerung ohne Zugang zu sauberem Wasser von derzeit 20 Prozent bis zum Jahr 2025 auf 30 Prozent steigen. Der Anteil ohne Zugang zu sicheren sanitären Systemen liegt bereits heute bei 40 Prozent. Der Weltgesundheitsorganisation zufolge sind vier Fünftel aller Krankheitsfälle auf der Welt auf verseuchtes Wasser zurückzuführen. Je mehr verschmutztes Wasser aus defekten Abwassersystemen oder über Fäkalien in bestehende Süßwasserbestände fließt, desto weniger sauberes Wasser ist übrig.

Mit zunehmenden Verteilungskämpfen um Wasser haben auch realitätsferne utopische Ideen wieder Konjunktur. Die Zeiten, in denen sowjetische Planer die sibirischen Flüsse umleiten wollten, um damit die zentralasiatischen Wüsten zwecke Baumwollanbau zu bewässern, sind zum Glück vorbei. Aber stattdessen erwägen afrikanische und chinesische Technokraten die Umleitung großer Flüsse, um Trockengebiete zu bewässern. Wie die Praxis zeigt, liegt der Schlüssel zur Linderung der globalen Wasserkrise nicht in industriellen Großprojekten, sondern in der Effizienzsteigerung von Wassergewinnung und Wasserverbrauch auf lokaler Ebene. Darum wird es in der kommenden Zeit gehen.

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