Tony Wilson: Er war Manchester

Am Samstag ist Tony Wilson gestorben, der Betreiber von Factory Records und legendärer Musik-Impresario.

In Zyklen erinnert man sich an die goldenen Zeiten von Manchester als Musikstadt. Spiritus Rector hinter all diesen Mythen war Tony Wilson. Legenden, an denen er kräftig mitgearbeitet hat. Erst vor fünf Jahren veröffentlichte er mit seinem Buch "24 Hour Party People" eine Art Autobiografie, die auch Vorlage für Michael Winterbottoms gleichnamigen Film war.

Er war es, der Anfang der Achtziger, als auf Punk Postpunk folgte und statt drei Akkorden Experimente mit Dub und Soul zählten, die zerfallende Industriestadt Manchester als Gegenpol zum allmächtigen London ausbaute. Neben Mute und Rough Trade leitete er mit Factory eines der drei einflussreichsten Independent-Labels, die sich im Zuge der Alles-auf-Anfang-Stimmung nach Punk etabliert hatten. Mute wurde vor kurzem für zig Millionen an einen Plattenkonzern verkauft - Factory ging Ende der Neunziger traurig pleite.

Tony Wilson war eben Visionär, Ästhet, Hedonist, Dandy und kompromissloser Kauz, aber kein Geschäftsmann. Wenn es der Sache diente, konnte er auf das Geldverdienen verzichten, und man erzählt sich immer noch gerne die rührende Geschichte, dass die Maxi "Blue Monday" von New Order zwar zur erfolgreichsten aller Zeiten wurde, aufgrund ihres aufwändig gestalteten Covers dem Label jedoch nur Verluste bescherte.

Zusammen mit Produzent Martin Hannett und dem Grafikdesigner Peter Saville bildete Wilson die Dreifaltigkeit, die den Manchester-Sound prägte. Anfangs war dieser kühl und dunkel, Joy Division, Section 25 und A Certain Ratio erinnerten an Impressionen zerfallener Fabrikgebäude, in denen man sich verlieren konnte, wie in den markanten Hallräumen, mit denen Hannett jede seiner Produktionen versah. Saville verpackte die Platten in Cover, die sich in reiner Ästhetik ergingen, Bauhaus zitierten und in nie gekannter Radikalität den visuellen Genuss über die Produktinformationsaufgabe eines Plattencovers stellten. Lieber im großen Stil scheitern, als Kompromisse einzugehen, schien das Lebensmotto von Tony Wilson gewesen zu sein.

Wie seinem Label erging es Ende der Neunziger auch seinem Club Hacienda: Er war legendär, aber es ging einfach nicht mehr. Mafiöse Strukturen hatten sich breit gemacht, man hatte mit massiven Drogenproblemen zu kämpfen. Ende der 80er hatte die Hacienda den Ruf des vielleicht glamourösesten, ganz sicher aber des musikalisch aufregendsten Clubs der Welt. Rock und Dance verschwammen im "Madchester"-Sound dieser Tage ineinander, schwarze und weiße Kultur gingen jede Partynacht erneut ineinander über.

Am Samstag ist Wilson an den Folgen eines Herzinfarkts als Folge eines Nierenkrebsleidens in Manchester - wo sonst? - verstorben. Er wurde 57 Jahre alt.

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