Knastschmuggel: Keine Polizei, keine Dealer

Die Laubenpieper am Knast Plötzensee fühlen sich relativ sicher. Laut Polizei hat auch noch keiner Anzeige erstattet

Die Mauer ragt fast vier Meter in die Höhe. Auf der Oberfläche aus Waschbeton wachsen Moose und Gräser. Die Wachtürme der Jugendstrafanstalt Plötzensee am Friedrich-Olbricht-Damm wirken unbesetzt. Eine Krähe landet auf der Mauerkante. Es ist Dienstagmorgen - Tag fünf nach dem Fernsehbericht, der einen schwunghaften Schmuggel über die Mauer aufdeckte. Es nieselt und es riecht nach Herbst. Nichts erinnert an die aufgeregten Bilder, die durch die Medien gingen.

Direkt hier an der "Plötze", wie der Jugendknast genannt wird, liegt eine Kleingartenkolonie. Von den Dächern der Lauben sind in den vergangenen Monaten unzählige kleine und größere Pakte über die Mauer in den Gefängnishof geworfen worden. In den Paketen befanden sich weiche Drogen, Mobiltelefone und Snacks für die Gefangenen. Am Sonntag kündigten die Sicherheitsbehörden schließlich an, die Zustellung der Drogenpost rigoros zu unterbinden und die Zahl der Polizeistreifen drastisch zu erhöhen.

Doch was hat sich seitdem verändert? Die Anwohner der Laubenkolonie möchten alle unerkannt bleiben, erzählen wollen sie dennoch. "Ich habe nicht einen Polizisten mehr gesehen als zuvor", sagt ein älterer Herr. Eine Frau, die mit ihrem Hund Gassi geht, fügt hinzu: "Befragt hat uns auch keiner. Von der Polizei hat sich bei uns noch keiner gemeldet." Ein Dritter glaubt gar, das Ganze sei eine Zeitungsente. "Selbst wenn Waffen geschmuggelt worden wären, wäre ich nicht beunruhigt. Was bringen die denn einem Gefangenen im Bau? So gut wie gar nichts."

Trotz der Ankündigung, die Streifen zu verstärken, sind keine uniformierten Polizeibeamten um das Gelände des Jugendknasts zu sehen. Die meisten Anwohner fühlen sich dennoch sicher. "Wat soll ick denn Angst haben? Ick weeß doch seit Anfang an, wat hier für Kameraden einsitzen", sagt ein Mann in Jogginghose belustigt.

Tatsächlich ist die Stimmung vor Ort keineswegs so aufgeheizt, wie dies der TV-Bericht und viele Medien seit Donnerstag darstellten. Von Nötigung und Bedrohung durch die Dealer ist dort die Rede. Laut Polizeipräsident Dieter Glietsch ist bei der Polizei in diesem Jahr bisher jedoch keine einzige Anzeige in diesem Zusammenhang eingegangen. "Ich bedauere das sehr. Selbstverständlich wäre die Polizei vor Ort tätig geworden", so Glietsch zur taz. Aufseiten der Polizei habe es keine Versäumnisse gegeben.

"Wir sind nahezu rund um die Uhr im Einsatz. Seit Freitag letzter Woche gab es keinen weiteren Vorfall und auch keine Kontaktaufnahmen von Verdächtigen", sagt Polizeisprecher Frank Millert. Die Maßnahmen, die nun ergriffen worden seien, gingen nicht zulasten anderer Polizeidirektionen, betont er. Der Jugendknast liegt im Polizei-Abschnitt 24 und soll von Streifen- oder Zivilpolizisten patrouilliert werden. "Es sind keine reinen Mauerstreifen. Unsere Leute sind da, wo etwas passieren könnte und wo Paketabwürfe durchgeführt werden könnten."

Warum die Sicherheitsbehörden nicht früher kooperierten und agierten, ist dennoch nicht ganz klar. "Wir stehen in engem Informationsaustausch, die Zusammenarbeit mit der Justiz funktioniert gut", sagt Millert.

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