Burger in Kreuzberg: Mädels gucken bei McDonalds

Bei vielen türkischen Migranten erfreut sich die Fastfoodkette großer Beliebtheit. Bei Gerichten ohne Schweinefleisch und alkoholfreien Getränken wähnen die Eltern ihre Kinder in guter Gesellschaft.

Schmeckt auch Muslimen Bild: AP

Mittwochnachmittag um zwanzig nach fünf bei McDonalds: In der oberen Etage der Filiale am Zoo sind wieder Plätze zu haben. Viele der Teenies, die sich nachmittags gern hier treffen, sind bereits wieder in Richtung Zuhause verschwunden. Laut ist es immer noch: Von draußen dröhnen die Motoren der Busse, drinnen schwatzen die Gäste. In der hintersten Ecke sitzen Burak*, Atilla* und ihr Freund, der "King" genannt werden möchte. So seit zwei Stunden seien sie da, sagt Burak. Auf dem Tisch vor ihnen stehen drei leere Trinkbecher.

"Wo sollen wir denn sonst hin?", antwortet Burak auf die Frage, warum sich die drei Jungen ausgerechnet hier treffen. Eigentlich sind sie aus Tempelhof, ab und zu besuchten sie dort auch einen Jugendtreff, aber da sei "meist nicht viel los", erklären sie. Und andere Cafés? "Manche lassen uns ja gar nicht erst rein", winkt King ab, der mit 16 der Älteste der drei Freunde ist. Bei McDonalds stört sie außerdem kein Kellner, der nach dem ersten Getränk weiteren Konsum verlangt. "Und unsere Eltern haben auch nichts dagegen", sagt Burak. Es gebe schweinefleischfreies Essen und keinen Alkohol: "Das finden sie gut."

20 Minuten Mittagspause haben die Schüler des Oberstufenzentrums Handel I in Kreuzberg. Heute müssen sie sich erstmals entscheiden: Paniertes Schweineschnitzel "Zigeuner Art" mit Letscho und Pommes für 3,80 Euro in der Kantine oder ein Hamburger Royal TS-Menü für 4,90 Euro bei McDonalds. "In der Kantine schmeckt das Zeug nicht. McDonalds ist keine Konkurrenz, sondern die Rettung", sagt ein 17-Jähriger vor der Schule. Doch er ist gläubig und muss sich noch gedulden. Gestern begann der muslimische Fastenmonat Ramadan. "Um acht Uhr abends komme ich nicht mehr extra hierher." Und nach dem Ramadan? "Dann jeden Tag."

Der Weg zum Burger ist nah, keine 50 Meter liegen zwischen Lern- und Bratanstalt, die seit heute auch kein Bretterzaun mehr trennt. Auf dem stand: "McDreck", "Raus aus Kreuzberg" und "Gegen kostenpflichtige Kindermästung". Die Gegner wollen ihn nicht, den ersten McDonalds in SO 36, der bis gestern wohl größten BigMac-freien Zone Deutschlands. Mehrere Bürgerinitiativen bildeten sich, um gegen die Kantinen-Konkurrenz zu den Schulen, das befürchtete Verkehrsaufkommen durch den Drive-in und die Ansiedlung internationaler Großkonzerne in ihrem Kiez anzutreten. Auch Hans-Christian Ströbele, Kreuzbergs grüner Bundestagsabgeordneter, sagt: "Ich habe den Herren von McDonalds klargemacht, dass es vor allem um den Standpunkt gegenüber der Schule geht. Aber das hat nicht gefruchtet."

Bereits vor fünf Jahren verkaufte die Post das Gelände an der Ecke Skalitzer und Wrangelstraße an die Firma mit dem bauchigen M. Aber wegen des Widerstands seitens der Bezirkspolitiker und Bürger konnte die Kette erst in diesem Frühsommer mit dem Bau ihres Burgerbungalows mit Kinderrutsche und Drive-in beginnen. Sie scheute sich auch nicht, die Bauarbeiten während des G-8-Gipfels anlaufen zu lassen, als der linken Szene die Pflastersteine besonders locker in der Hand lagen. Wachpersonal streift seitdem Tag und Nacht um das Gelände und "wird die nächste Zeit dort bleiben", so ein Unternehmenssprecher. "Wir wollen das Restaurant aber behandeln wie jedes andere Restaurant auch." Allerdings flogen auch am vergangenen Wochenende Steine und Farbbeutel.

Die Proteste reißen jedenfalls nicht ab. Auf Indymedia kursieren Aufrufe zu einem "bunten Protest" am Eröffnungstag. Die Polizei nahm es zur Kenntnis, "aber wir haben keine konkreten Hinweise", sagte ein Polizeisprecher. Die Initiative McWiderstand hat unterdessen angekündigt, "auf verwaltungsrechtlichem Weg gegen den Betrieb vorzugehen", weil die Niederlassung "ohne nachbarschaftliche Rücksichtnahme" errichtet worden sei.

Nicht ganz so gut fänden sie es vermutlich, wenn sie wüssten, was ihre Söhne sonst noch hierher zieht. Nämlich "Mädels", wie Atilla grinsend verrät. Nicht zuletzt deshalb bevorzugen die drei eine Filiale der Hamburger-Kette, die nicht allzu nah an ihren Wohnorten liegt. Hierher an den Zoo kommen am Nachmittag Teenies aus der ganzen Stadt, auch Touristinnen von anderswo. Da lässt es sich gut ein bisschen "quatschen, flirten - mehr aber nicht!", versichern die drei.

Im Erdgeschoss sitzt Filiz mit ihren zwei Freundinnen - direkt am Fenster. "Shoppen" waren sie, nun ruhen sie sich ein wenig aus. Mit Jungs flirten? "Nee!" Filiz Blick ist fast ein bisschen verächtlich. "Wenn wir hier am Fenster sitzen, quatscht uns mit Sicherheit keiner an", sagt das bekopftuchte Mädchen. Die Öffentlichkeit schützt sie - und selbst wenn der Papa mal vorbeikommt, kann er sehen, dass seine Mädchen nichts zu verbergen haben. In die schlechter einsehbare obere Etage gehen die drei auch deshalb nicht - eine Vorsichtsmaßnahme.

Dort sitzt nun Hüseyin, auf dem Schoß seinen zweijährigen Sprössling. Seine Frau Lale kommt gerade mit dem Tablett von unten. Warum sie zu McDonalds gehen? Es sei "ziemlich sauber für einen Imbiss", sagt Hüseyin. Sein Blick über die am frühen Abend ziemlich unordentlichen Tische wirkt dabei allerdings zweifelnd. Es gebe ja schönere Filialen als diese hier, ergänzt seine Frau, "am Stadtrand, mit Spielplatz, drinnen und draußen". Die Kinder mögen das, meint das junge Ehepaar, und schädlich sei es ja auch nicht, ab und zu bei MacDonalds schweinefleischfreien Burger zu essen: "Wir kochen ja sonst viel frisch und immer mit Gemüse!", sagt Lale.

Ob es schmeckt? Burak und seine Freunde sehen sich an, als ob sie sich diese Frage noch nie gestellt hätten. "Geht so", lautet das Urteil - darum geht es aber irgendwie auch gar nicht. Trotzdem schiebt Burak seinen Körper nun von der Sitzbank. Einen Hamburger wollen die drei sich heute doch noch gönnen. Schließlich beginnt jetzt der Fastenmonat Ramadan. Da wird McDonalds auf die drei Freunde erst mal verzichten müssen.

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