Debatte: Faire Gegner

Produkte aus gerechtem Handel haben es in Deutschland in den Massenmarkt geschafft. Doch bei Discountern und Supermarktketten liegt für Gepa und Co nicht die Zukunft.

Der faire Handel in Deutschland ist erfolgreich: Seit ein paar Jahren bewährt er sich auf dem Massenmarkt. Genau deshalb steht er am Scheideweg: Wenn die traditionellen Akteure weitermachen wie bisher, hat der faire Handel seinen Zenit bald überschritten. Den großen Reibach werden die Supermarktketten machen - und dabei das Vertrauen der Kundschaft verspielen. Den größten Schaden davon hätten die Kleinbauern in den Entwicklungsländern, die heute dank des fairen Handels ein existenzsicherndes Auskommen haben.

Dass sich die traditionellen Fair-Handels-Akteure der Herausforderung des Massenmarkts erfolgreich stellen können, zeigt das Beispiel Großbritannien. Dort gründeten 1991 die vier großen Fair-Handels-Importeure Oxfam, Traidcraft, Equal Exchange und Twin Trading zusammen die Firma Cafedirect. Ihr erklärtes Ziel: als attraktive Marke mit mehreren Sorten in alle Supermarktregale vorzudringen. Heute ist Cafedirect der viertgrößte Röster und trägt erheblich dazu bei, dass 20 Prozent des in Großbritannien verkauften Kaffees inzwischen aus fairem Handel kommen.

Zu einem ähnlichem Schritt sind die Akteure des fairen Handels in Deutschland offenbar weder willens noch in der Lage. Transfair setzt in erster Linie auf die Zusammenarbeit mit den großen Supermärkten. Die traditionellen Händler des fairen Handels erfreuen sich an den respektablen Zuwachsraten, die sie in den letzten Jahren erreicht haben. Konkurrenz und Streitigkeiten untereinander haben es bisher verhindert, gemeinsam eine schlagkräftige Firma zu gründen, die einen Großteil des Wachstumsmarktes bedienen könnte. Stattdessen begnügt sich der faire Handel mit einem Marktanteil von einem Prozent und riskiert, dass Lidl und andere Supermärkte die ganze Idee in den Abgrund treiben.

Denn ausgerechnet der wegen seiner ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in Verruf geratene Discounter Lidl sprang im vergangenen Jahr als Erster auf den Zug auf - auch, um sein ramponiertes Image aufzupolieren. Seit einem Jahr vertreibt die Kette ein kleines Sortiment fair gehandelter Produkte unter dem Markennamen "fairglobe" - geadelt mit dem Transfair-Siegel. Lidl als Partner - das ramponiert den in den letzen Jahren aufgebauten Ruf des fairen Handels, und es ist auch nicht zu erwarten dass die extrem preisbewusste Lidl-Kundschaft den fairen Handel massiv voranbringt. Tatsächlich beruht der Großteil der von Transfair bejubelten Steigerungsraten nicht auf der Zusammenarbeit mit dem Discounter, sondern auf Produktgruppen, die erstmals das Siegel des fairen Handels tragen.

Doch Lidl ist nur der Anfang. Vor einigen Monaten kündigte eine Tengelmann-Sprecherin ebenfalls an, dass ihr Konzern im Rahmen der bisherigen Biomarke Naturkind künftig auch faire Produkte anbieten will. Langfristig werden die großen Supermarktketten nicht nur fleißig fair gehandelte Eigenmarken verkaufen, solange das zusätzliche Einnahmen verspricht. Sie werden auch versuchen, Einfluss auf die Grundsätze des fairen Handels zu nehmen. Sollte es mal zu wenig fair gehandelten Kaffee von kleinen Genossenschaften geben, warum nicht den Handel auf Großplantagen ausdehnen? Die traditionellen Akteure des fairen Handels müssen sich zusammenschließen und sich gegen solche Versuche wehren, denn sonst ist die Gefahr groß, dass das ursprüngliche Anliegen des fairen Handels unter die Räder kommt.

Insbesondere beim Hauptprodukt Kaffee geht es neben einem existenzsichernden Preis für die Bauern ja stets auch darum, kleine Produzenten dabei zu unterstützen, demokratisch aufgebaute Genossenschaften zu bilden, die Qualität ihres Kaffees zu verbessern und so ihre Exportchancen zu erhöhen. Ein weiterer Grundsatz des fairen Handels war immer schon die Kritik am Internationalen Handelssystem und den großen Konzernen, die zu mehr Gerechtigkeit und zur Förderung nachhaltiger Entwicklung bewegt werden sollen.

Die Grundsätze des fairen Handels wurden in den letzten 30 Jahren von den überwiegend ehrenamtlich betriebenen Weltläden, kirchlichen und unabhängigen Aktionsgruppen und engagierten Einzelpersonen entwickelt. Auch die Gepa und die anderen Händler des fairen Handels wie El Puente und Dritte Welt Partner waren dabei. Die Siegelorganisation Transfair übernahm in den 90er-Jahren diese Kriterien. Jetzt, beim Eintritt in den Massenmarkt, besteht die Herausforderung darin, diese Grundsätze zu verteidigen

Die Verantwortung dafür können nur die traditionellen Akteure übernehmen. Von den großen Handelsketten werden strenge Grundsätze nämlich in erster Linie als Umsatzhemmnisse wahrgenommen - die es zu beseitigen gilt. Die Möglichkeit, es sich weiter in der seit 30 Jahren aufgebauten "fairen" Nische gemütlich zu machen, gibt es jetzt nicht mehr. Der faire Handel verspricht Umsatzsteigerungen - davon wollen die Großen profitieren. Ihr Interesse ist aber rein kommerziell, und dieser Herausforderung muss sich der faire Handel endlich stellen.

An der Biobranche lässt sich studieren, was passiert, wenn die Großen Lunte riechen. Die Supermärkte bieten vergleichsweise günstige Produkte mit relativ niedrigen Standards an. Zugleich erleben aber zunächst auch die traditionellen Biomarken wie Demeter, Naturland etc. eine Ausweitung. Allerdings wächst unter den traditionellen Akteuren die Angst, dass Skandale dem gesamten Boom ein Ende bereiten könnten. Auch eine Aufweichung der Kriterien wird befürchtet - zu Recht. Die neuen Anbieter haben bereits versucht, die EU-Bioverordnung zu verwässern.

Was für die Biobranche gilt, ist für den fairen Handel noch um ein Vielfaches wichtiger: die Integrität der Akteure. Denn wer Bioprodukte kauft, tut nicht nur etwas für die Umwelt, sondern vor allem für die eigene Gesundheit, verspricht sich also einen persönlichen Vorteil von der Produktwahl. Beim Kauf fair gehandelter Produkte ist dies nicht der Fall. Für den höheren Preis will der Kunde dazu beitragen, dass die Produzenten in der dritten Welt besser leben, ihre Kinder zur Schule schicken und in eine bessere Zukunft blicken können. Deshalb fragen sich die Käufer zu Recht: Kommt der höhere Preis wirklich bei denen an, die es nötig haben? Discounter wie Lidl sind dafür sicher keine Garanten.

Zwar ist es auch der Gepa - dem mit 50 Millionen Euro Umsatz mit Abstand größten fairen Händler in Deutschland - gelungen, einige seiner Produkte in vielen Supermärkten zu platzieren. Doch das Unternehmen setzt ausschließlich auf hohe Qualität und entsprechende Preis. Für das traditionelle Marktsegment in den Weltläden ist das sicher eine richtige Entscheidung. Aber den Zuwachsmarkt im stark preisorientierten Lebensmittelhandel werden langfristig andere unter sich ausmachen, Gepa-Produkte wird es dort nicht mehr geben. Es ist höchste Zeit, dass der faire Handel sich den aktuellen Herausforderungen stellt.

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