Kommentar Sicherheitsratssitz: Merkels Geheimnis

Die Kanzlerin fordert einen ständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat - und bleibt eine überzeugende Begründung schuldig. Der Sitz ist für Deutschland ferner denn je.

Warum die Bundeskanzlerin vor der UNO-Generalversammlung erneut die Forderung nach einem ständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat erhoben hat, bleibt ihr Geheimnis. Merkels - richtige - Feststellung, in seiner jetzigen Zusammensetzung spiegele der Rat nicht mehr die Welt von heute wider, stand bereits in der Rede, mit der 1993 der damalige Bundesaußenminister Kinkel (FDP) erstmals den Anspruch auf einen deutschen Sitz erhob. Mit seinen Prognosen, Deutschland werde bereits zum 50. Jubiläum der UNO im Juni 1995 ständiges Ratsmitglied werden, spätestens aber bis zum Jahr 2000, verlor Kinkel zahlreiche (bis heute unbezahlte) Rotweinwetten.

Danach blamierte sich die Regierung Schröder/Fischer mit ihrer Sitzkampagne und den ständigen Ankündigungen, Berlin werde die damals angepeilte Ratserweiterung um Deutschland, Japan und vier weitere Staaten "durchsetzen". Dabei war dieses Paket immer chancenlos. Denn das ständige Ratsmitglied China hätte seine erforderliche Zustimmung zu einem ständigen Sitz für Japan wegen der historischen Spannungen zwischen beiden Ländern nie gegeben. Die Bedenken in Peking sind in den letzten zwei Jahren sogar noch gewachsen. Schließlich versuchen die USA, Japan zum militärischen Juniorpartner in Nordostasien und Gegengewicht zu China aufzurüsten, zudem beunruhigt China die innerjapanische Debatte über eine atomare Bewaffnung des Landes.

Abgesehen von der Realitätsuntüchtigkeit ihrer Forderung hat Merkel auch keine überzeugende Begründung geliefert. "Mehr Verantwortung übernehmen" könnte Deutschland in sämtlichen wichtigen globalen Fragen, die auf der UNO-Agenda stehen, auch ohne einen ständigen Sitz im Rat. Zudem gibt es aus den letzten 17 Jahren seit Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands keine Entscheidung des Rates, die von einer Bundesregierung kritisiert wurde oder die bei einer ständigen Ratsmitgliedschaft Deutschlands anders ausgefallen wäre. Und es gab auch keine Initiative Deutschlands in der UNO, die am fehlenden Sitz im Rat scheiterte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.