Österreich: Abschiebung im Morgengrauen

In Österreich streiten die Parteien über das humanitäre Bleiberecht. Die regierende konservative ÖVP setzt auf die harte Linie. Jetzt soll ein Kriterienkatalog her.

Wer darf rein? Wer soll raus? Wer muss raus? Bild: dpa

WIEN taz Sie werde sich nicht lebendig der Polizei stellen, droht Arigona Zogaj in einem Brief, der von allen Medien aufgegriffen wurde. Die 15-Jährige aus der oberösterreichischen Gemeinde Frankenberg ist untergetaucht kurz bevor ihr Vater und ihre vier Brüder letzte Woche in das Kosovo abgeschoben wurden. Ihre Mutter liegt mit einem Nervenzusammenbruch im Krankenhaus. Von Nachbarn über den Bürgermeister bis zum Landeshauptmann Josef Pühringer, ÖVP, setzten sich alle für das Bleiberecht der Schülerin und ihrer Familie ein. Schließlich suspendierte auch Innenminister Günther Platter, ÖVP, den Abschiebungsbescheid gegen Mutter und Tochter "bis auf weiteres".

Die Abschiebung der kosovo-albanischen Familie Zogaj hat nicht nur in der Öffentlichkeit Empörung ausgelöst, sondern auch die Politik in Zugzwang gebracht. In letzter Zeit häuften sich die Abschiebungen, bei denen die Polizei vor Morgengrauen die Häuser der Betroffenen umstellten und die Menschen in Schubhaft schleppten. Vor wenigen Tagen erklärte Platter, er wolle das von den Landeshauptleuten geforderte Mitspracherecht der Länder einräumen und einen Kriterienkatalog für humanitäres Bleiberecht erarbeiten. Die Zogajs und andere seit Jahren im Lande lebende Familien, so rechtfertigt der Innenminister sein scharfes Vorgehen, hätten keinen Anspruch auf Aufenthalt, da ihr Asylantrag abgewiesen worden sei. Dass die Kinder zum Teil ihr Heimatland gar nicht kennen und dessen Sprache nicht beherrschen, sei kein Grund für die Gewährung humanitären Aufenthalts. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, SPÖ, findet das Vorgehen in einem Interview mit der Stadtzeitung Falter "grauslich", sieht aber keinen Anlass, das Gesetz zu verbessern.

Die Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts wurde 2005 von der damals oppositionellen SPÖ mitbeschlossen. Das ruft die ÖVP auch stets in Erinnerung, wenn vom Koalitionspartner Kritik an dem Gesetzespaket laut wird. Die Grünen fordern, dass integrierte Asylwerber, wenn ihr Verfahren fünf oder mehr Jahre dauert, ein Bleiberecht erhalten sollen. Der gesellschaftliche Nutzen der Abschiebung von Menschen, die hier Arbeit haben und in die Schule gehen, erschließt sich auch den vielen Nachbarn betroffener Familien nicht. Obwohl Strafen drohen, geben Freunde und Bekannte untergetauchten Abschiebungskandidaten Schutz. Einen rechtlichen Anspruch auf Aufenthalt will aber weder die ÖVP noch die SPÖ ermöglichen. Aufgebrachte Landeshauptleute und Bürgermeister, die mit Unterschriftenlisten und Protesten aus der Bevölkerung unter Druck gesetzt werden, so die Kompromisslösung, sollen künftig befragt werden. Die Entscheidung über jeden Einzelfall verbleibt aber beim Innenminister. Und der hat sich vorgenommen, den Rückstau an Asylverfahren möglichst schnell abzubauen und beschleunigt zu deportieren.

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