Fußball-Diplomatie: Politisch motivierte Rückenschmerzen

Schon vor dem Fall Dejagah waren die deutsch-israelischen Sportbeziehungen ganz und gar nicht unproblematisch.

Will Trainer von Maccabi Tel Aviv: Lothar Matthäus Bild: dpa

BERLIN taz Der jüngste Beitrag zum deutsch-israelischen Sportverhältnis kommt gar nicht vom Deutschiraner Ashkan Dejagah. Er kommt von einem, der die U-21 lange hinter sich gelassen hat: Lothar Matthäus ist, glaubt man der Bild-Zeitung, gerade im Gespräch, Trainer von Maccabi Tel Aviv zu werden. "Es wäre eine Ehre für mich, Tel Aviv zu trainieren", soll der Rekordnationalspieler am Rande der 0:3-Heimniederlage Tel Avivs gegen Maccabi Haifa gesagt haben, die er sich "privat", wie er betont, Ende September angeschaut habe.

Es ist derselbe Matthäus, der 1993 auf dem Oktoberfest einem Niederländer entgegenschmetterte: "Du bist wohl vergessen worden von Adolf." Es ist auch derselbe Matthäus, der schon zweimal als Trainer in Israel im Gespräch war. Vor zwei Jahren wollte ihn Maccabi Tel Aviv bereits einmal holen. Der französische Sponsor Philipp Salomon hatte den Plan, mit Matthäus den Klub groß herauszubringen. Doch im Verein wollte ihn niemand, Salomon zog sich zurück. Kurze Zeit später plante Daniel Jammer, deutscher Besitzer des israelischen Erstligisten Maccabi Netanya, Matthäus zu verpflichten. Der war, wie immer, bereit. Mit einem kernigen "Ich trenne Sport und Politik. Hab ich auch in Serbien getan!" legte er seine internationalen Trainererfahrungen in die Waagschale.

Aber dem Heiligen Land blieb eine Leidensgeschichte mit Matthäus erspart. Die Sportbeziehungen zwischen den beiden Ländern werden von anderen gestaltet. "Alles zusammengenommen ist das eine Erfolgsgeschichte", sagt Manfred Lämmer, Historiker an der Sporthochschule Köln und dort Experte für deutsch-israelische Beziehungen. "Die ersten Fußballtrainer Israels wurden beispielsweise alle in Köln ausgebildet." Lämmer erinnert vor dem morgigen Auftritt der deutschen U-21-Auswahl in Tel Aviv an das erste, meist vergessene, Länderspiel zwischen deutschen und israelischen Fußballern: 1971 im rheinischen Frechen trafen die beiden Olympiaauswahlteams aufeinander. Seither gab es drei Begegnungen, alle gewann Deutschland: 1987 und 1997 spielte man in Ramat Gan gegeneinander, und 2002 trat in Kaiserslautern erstmals Israel auf deutschem Boden gegen Deutschland an. Vor Peinlichkeiten war man da nie gefeit. Im Programmheft hieß es, nach zuletzt schlechten Spielen sei gegen Israel "zunächst einmal Wiedergutmachung angesagt". Und als die Nationalelf 1997 in Israel antrat, mussten die Spieler vorher in die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem. Franz Beckenbauer wurde mit dem Satz zitiert: "Der Besuch brachte mir nichts Neues." Und Mario Basler wandte sich während der Besichtigung an Trainer Berti Vogts: "Hat es so etwas wirklich gegeben, Trainer?" Vogts antwortete: "Doch, so war es."

Berühmt wurde der Fall Bayern München, als der deutsche Meister 2004 in der Champions League gegen Maccabi Tel Aviv spielte. Der iranische Profi Vahid Hashemian bekam nach Rücksprache mit den Bayern-Funktionären "Rückenschmerzen" und setzte sowohl im Hin- wie auch im Rückspiel aus.

Dabei gibt es einen iranischen Kicker, der gegen ein israelisches Team gespielt hat: Mehrdad Minavand, damals in Österreich bei Sturm Graz unter Vertrag, lief 2000 gegen Hapoel Tel Aviv auf. Das wurde in der iranischen Presse negativ vermerkt und zum Rückspiel in Tel Aviv reiste er nicht an. Keine Verletzung wurde vorgegaukelt, es wurde, ohne dass es zum Skandal kam, von politischen Gründen gesprochen.

1989 sagte der damalige Verbandsligist Kickers Emden ein Freundschaftsspiel gegen Hapoel Rehovot aus Israel ab. Man sei politisch neutral, also weder projüdisch noch proarabisch, lautete die Begründung. Aber die Schwierigkeiten deutscher Klubs beschränken sich nicht nur auf den Fußball. Und nicht nur auf die BRD. Als 1987 die schon von Perestroika geprägte Sowjetunion in der Qualifikation um die Handball-WM gegen Israel antreten musste, spielte man im scheinbar neutralen niedersächsischen Salzgitter. Und in den Fünfzigerjahren musste die DDR-Handball-Nationalmannschaft gegen Israel antreten. Das Spiel fand in Schwerin statt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

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