Kommentar Stadtsoziologe Holm: Die konstruierte Terrorgefahr

Die Aufhebung des Haftbefehls gegen Andrej Holm ist eine laute Ohrfeige für die Bundesanwaltschaft. Die sollte sich hüten, linke Brandstifter auf eine Stufe mit der RAF zu stellen.

Am Mittwoch wurde in Berlin der Opfer der RAF gedacht. Dabei warb Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) erneut für seine neuen Antiterrorgesetze. Zur gleichen Zeit kam in Karlsruhe der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zusammen. Seine Aufgabe war keine historische: Es ging um die Bewertung der aktuellen Ermittlungsmethoden im Kampf gegen den Terrorismus.

Im konkreten Fall hatte das Gericht zu entscheiden, ob der unter Terrorverdacht stehende Berliner Soziologe Andrej Holm wieder in Untersuchungshaft muss. Den Haftbefehl gegen Holm hatte es drei Wochen nach seiner Verhaftung am 1. August ausgesetzt. Daraufhin hatte Generalbundesanwältin Monika Harms Beschwerde eingelegt. Zur Überraschung vieler haben die Bundesrichter gestern nicht nur die Beschwerde abgelehnt, sie haben den Haftbefehl sogar in toto aufgehoben.

Kann man den Terror, die Entführungen und Morde der RAF mit Brandanschlägen auf Bundeswehrfahrzeuge gleichsetzen? Generalbundesanwältin Monika Harms, die am Mittwoch bei der offiziellen Trauerfeier für die RAF-Opfer dabei war, hat dies getan. Ihre Behörde rückt linken Brandstiftern mit dem gleichen Paragrafen 129 a zu Leibe wie einst den Mitgliedern der RAF. Und sie scheut auch nicht davor zurück, auf abenteuerliche Konstrukte zurückzugreifen, um gegen Verdächtige das ganze Antiterrorprogramm aufzufahren, das Schäuble noch verschärfen will.

Das Gericht hat dem nun einen Riegel vorgeschoben. Ein bloßer Verdacht rechtfertige zwar Ermittlungen, aber noch lange keinen Haftbefehl, so ihr Urteil. Da müsse die Bundesanwaltschaft schon mehr bringen als vage Vermutungen. Deutlicher kann eine Ohrfeige für die Ermittlungsbehörden nicht ausfallen.

Bleibt die Frage, ob es sich bei den weiteren Beschuldigten, die zur gleichen Zeit wie Holm festgenommen wurden, um Mitglieder einer terroristischen Vereinigung handelt. Darüber hat das Gericht am Mittwoch nicht entschieden. Es wird das aber bald müssen.

Darf man Sachbeschädigungen als "Terrorismus" werten? Die Antwort kann vor dem Hintergrund des Deutschen Herbstes nur lauten: nein. Denn solcher Übereifer untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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