Koalitionsplan: Keine Brust-OPs für Minderjährige

40 Prozent der neun- bis 14-jährigen Mädchen würden sich laut einer Studie Fett absaugen lassen. Nun prüft die Koalition ein Verbot von Schönheits-OPs unter 18 Jahren.

"Keine Operation ist ohne Risiko": Plastischer Chirurg mit Patientin Bild: dpa

Vor drei Wochen kam eine 16-Jährige in die Praxis von Jürgen Marsch. Sie legte ein Foto des Hollywood-Stars Julia Roberts auf den Tisch. "So sollen meine Lippen aussehen", sagte sie zu dem plastischen Chirurgen aus Essen. Die Mutter stand nervös daneben. Dass die Lippen des Mädchens am Ende nicht aufgespritzt wurden, lag an Marsch, der prinzipiell keine Minderjährigen umoperiert. "Das halte ich für absolut unseriös."

Doch das sehen nicht alle Schönheitschirurgen so: Schätzungen zufolge unterziehen sich in Deutschland jährlich etwa 100.000 Jugendliche unter 20 Jahren Schönheitsoperationen, manche von ihnen mitten in der Pubertät. Liften, Absaugen und Brustvergrößern sind Themen bei Teenies, wie eine repräsentative Untersuchung unter 6.000 Jugendlichen zeigt. Mehr als 40 Prozent der Mädchen zwischen neun und 14 Jahren würden sich laut dem Kinderbarometer Nordrhein-Westfalen der LBS gegebenenfalls Fett absaugen lassen, zehn Prozent denken über Brustoperationen nach. "Es ist erschreckend, dass schon Kinder auf die Idee kommen, ihr Übergewicht mit einer Operation zu bekämpfen, anstatt eine Ernährungsumstellung in Angriff zu nehmen", schreiben die Autoren der Studie.

Dem könnte die Koalition nun einen Riegel vorschieben. Die Fraktionen von Union und SPD erwägen, Schönheitsoperationen für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren zu verbieten. "Es geht um den Schutz der Jugendlichen, auch vor sich selbst", sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, die das Verbot seit Monaten vorantreibt.

Bisher reicht eine Einverständniserklärung der Eltern zur Schönheits-OP, die offenbar viele abgeben - manchmal schenken sie ihren Kindern sogar eine Brustvergrößerung oder Nasenkorrektur zum Geburtstag, wie die Boulevardpresse immer wieder berichtet. "Erschütternd, dass Eltern so etwas ermöglichen", sagte Connemann. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte freut sich deshalb über das Vorhaben der Koalition. "Keine Operation ist ohne Risiko", sagte Verbandschef Wolfram Hartmann. "Junge Menschen sollten nicht irgendeinem Schönheitsideal nachjagen und dabei Schaden nehmen." Der Gesetzesantrag der Koalition sieht eine Ausnahme bei Eingriffen vor, die medizinisch notwendig sind. Schönheitsoperationen an Kindern und Jugendlichen sollen auch in Zukunft vorgenommen werden dürfen, "wenn ein erheblicher Leidensdruck vorliegt oder ein Krankheitswert der Deformierung eingeschätzt werden kann", heißt es in dem Antrag - etwa bei stark abstehenden Ohren, zusammengewachsenen Zehen oder Fehlbildungen an der Nase, die das Atmen erschweren. Solche medizinisch notwendigen Eingriffe werden heute schon von den Krankenkassen bezahlt.

So sinnvoll die Ausnahme ist, bietet sie gleichzeitig viel Spielraum für Auslegungen. "Bei einer Nasenkorrektur lässt sich fast immer eine medizinische Indikation finden", sagt der Essener Chirurg Marsch. Auch Kinder- und Jugendarzt-Verbandschef Hartmann sieht das Problem mit einem Verbot nicht gelöst: "Unter den Schönheitschirurgen wird es immer schwarze Schafe geben."

Vor einem möglichen Verbot von Schönheits-OPs bei Teenagern soll es im nächsten Jahr zunächst eine Expertenanhörung im Bundestag geben. Käme das Verbot tatsächlich, wäre es ein weiterer politischer Schritt gegen den Schönheitswahn: Vor zwei Jahren hat der Bundestag bereits mit den Stimmen aller Fraktionen Werbung für Schönheits-OPs wie Brustvergrößerungen oder Fettabsaugen zur bloßen Verbesserung der Figur verboten. Vergangene Woche hat das Kabinett beschlossen, dass Ärzte den Krankenkassen Komplikationen nach Piercing, Tätowierungen oder Schönheitsoperationen melden müssen. Damit sollen die Patienten an den Folgekosten verpfuschter freiwilliger Eingriffe beteiligt werden.

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