Anti-Terror-Police: Industrie schert sich nicht um Terror

Finanzminister Steinbrück will acht Milliarden Euro Staatsgarantie für den Anti-Terror-Versicherer Extremus einsparen. Industrie hat kaum Interesse an der Versicherung.

Der Anschlag auf das World Trade Center offenbarte eine Lücke bei der Versicherung von Terror-Risiken. Bild: dpa

HAMBURG taz Der Versicherer gegen Terror, Extremus, stirbt einen langsamen Tod: Denn Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) setzt seinen Sparkurs fort - und denkt über einen Ausstieg aus dem privaten Versicherer nach. Bislang müsste Berlin nach einem Terroranschlag in Deutschland bis zu acht Milliarden Euro an Extremus zahlen.

Verbraucher sind - im Unterschied zur Industrie - im Regelfall gegen Terrorangriffe über ihre klassischen Verträge versichert. Explodiert zum Beispiel eine Autobombe vor einem Eigenheim, kommt anschließend die Wohngebäudeversicherung für den finanziellen Schaden auf. Auch die Haus- rat- oder die Kfz-Versicherun- gen zahlen bei Terrorattacken. Sogar Handwerker und Kleinbetriebe sind gegen Terroranschläge finanziell gewappnet. So sieht die SV Sparkassen-Versicherung in ihren Standard-Policen Terrorschäden bis zu zehn Millionen Euro vor. Fällt dagegen das Rechenzentrum einer Sparkasse oder einer Bank wegen eines Anschlags aus und eine Geldüberweisung wird deshalb zu spät ausgeführt, bleibt der Schaden am Kunden hängen. Banken und Sparkassen haften nämlich bei Terror ebenso wenig wie bei Kriegsschäden und Naturkatastrophen.

Doch Ende Dezember läuft die Staatsgarantie für die Extremus Versicherungs-AG in Köln aus. Und Steinbrücks Mitarbeiter prüfen derzeit, ob die Fortsetzung Sinn macht. Denkbar seien drei Varianten, heißt es in dem Ministerium: eine einmalige Verlängerung, ein schrittweiser Abbau über mehrere Jahre oder ein Ende der Staatsgarantie zum Jahreswechsel.

Extremus war 2002, ein Jahr nach den Angriffen auf das World Trade Center, von Allianz, Generali, Zürich und einem Dutzend in- und ausländischer Versicherungsunternehmen gegründet worden, um der deutschen Industrie Anti-Terror-Policen anzubieten. Bis zum Anschlag auf die Twintowers waren Terror-Risiken für Industrie und Fluggesellschaften automatisch mitversichert. Finanziell durchgerechnet hatte diese Gefahr jedoch kaum ein Konzern. Auf diese leichtsinnige Lücke wurde die globale Assekuranz erst durch den "11. September" aufmerksam - und strich alsbald entsprechende Passagen in den Verträgen ihrer gewerblichen Kundschaft.

So entstand ein Sicherheitsloch, das hierzulande Extremus schließen sollte. Die Versicherungsriesen wollten jedoch nicht allein für Sachschäden aufkommen und holten den verschreckten Staat dazu. Der einstige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder bewilligte eine Staatsgarantie von acht Milliarden Euro, die nach einem Terroranschlag auf deutsche Fabriken und Büros an Extremus und von dort an Industrie und Gewerbe fließen sollten.

In der Versicherungswirtschaft stoßen die Berliner Planspiele, die Subvention teilweise oder ganz zu streichen, auf Ablehnung.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist zudem verärgert, nicht rechtzeitig von der Bundesregierung eingeweiht worden zu sein. Trotzdem gibt sich die Lobby "optimistisch, dass sich der Staat seiner Verantwortung bewusst bleibt und die Betroffenen nicht im Stich lässt", sagt ein Sprecher. Auch der weltgrößte Rückversicherer, die Münchener Rück mit Prämieneinnahmen 2007 von über 35 Milliarden Euro, plädiert für die Beibehaltung der bisherigen Poollösung mit staatlichen Garantien, um das Risiko auf viele Schultern zu verteilen. "Darüber hinaus", warnte Vorstandsmitglied Jeworrek schon im September, "zeigt sich, dass Investoren Standorte scheuen, an denen nicht klar ist, wie mit der Terrorgefahr umgegangen wird".

Die Industrie selber scheut allerdings vor Extremus zurück - und versichert sich kaum gegen Terror. Nur 1.200 Verträge konnte Extremus bislang abschließen. Die Wirtschaft spart sich lieber die Prämien.

Für 2007 erwartet Extremus gerade einmal 61 Millionen Euro an Prämien. Die Gründer hatten Prämieneinnahmen von mindestens 300 Millionen Euro erwartet. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, so der Versicherungsverband damals, müsse Extremus den Betrieb einstellen.

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