Kommentar SPD-Parteitag: Kurt Beck rockt nicht

Die SPD ist nach links gerückt, und hat dennoch höllische Angst, darin einen Linksruck zu sehen. Für einen solchen Eiertanz hat die Partei genau den richtigen Vorsitzenden.

Die SPD sollte sich für ihre Parteitage auf eine einsame Insel zurückziehen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen. Ihre Beschlüsse könnte sie per Fax, ihr Programm per Post verschicken. Der Rest ist ohnehin nur Selbstbeschäftigung. Die wichtigen Botschaften des höchsten Parteiorgans sind an die eigenen Mitglieder gerichtet. Sie sind zur Aufhellung ihrer Stimmung gedacht.

Das trifft auch auf den Hamburger Parteitag zu. Dabei wird man über ihn später möglicherweise einmal sagen, dass er historisch gewesen sei. Er könnte als der Parteitag in die Geschichtsbücher eingehen, auf dem die SPD ihre soziale Identität wiederentdeckt hat.

Er könnte - er muss es aber nicht. Das liegt zum einen an der simplen Tatsache, dass Parteitagsbeschlüsse zunächst nichts anderes als bedrucktes Papier sind. Eine Kommission gegen Kinderarmut einzusetzen, wie es die SPD in Hamburg getan hat, eröffnet noch keinem einzigen armen Kind die Chance, seiner sozialen Tristesse zu entkommen.

Zum anderen hängt die Fragwürdigkeit des sozialdemokratischen Erfolgs an der Scheu, den Kurswechsel der Partei hinaus in die Welt zu schreien. Sie tarnt ihn; er ist schließlich aus der eigenen Krise geboren.

Die SPD gibt sich ein neues Grundsatzprogramm, das eine klare, sozialdemokratische Sprache spricht - aber sie hat höllische Angst davor, darin einen Linksruck zu sehen. Für diesen Eiertanz haben die Genossen den richtigen Vorsitzenden. Kurt Beck rockt nicht. Er reißt seine Partei nicht mit, er streichelt ihre Seele. Er zieht sie sanft und väterlich auf neue Pfade, von denen keiner genau weiß, wohin sie führen.

Becks Stärke speist sich vor allem aus der Schwäche der Partei. Er hat dem Unbehagen an der Schröder-Müntefering-SPD eine Bresche geschlagen, mehr aber auch noch nicht. Für diese entschlossene Unentschlossenheit hat der Parteitag ein hübsches Symbol gefunden: Jubel für eine öde Rede von Beck, Jubel für eine glänzende Rede seines Antipoden Müntefering.

Kurt Beck repräsentiert eine mitfühlende Sozialdemokratie - nah bei den Menschen, aber vor allem nah bei den eigenen Genossen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.