Denkmaldebatte: Großer Ärger in Bronze

Eine Skulptur der FU für ermordete Studenten erzürnt den AStA: Unter den Geehrten seien "antikommunistische Spione" und NSDAP-Mitglieder. Auch ein Historiker der Uni wundert sich.

Umstrittenes Ding: Die Bronzeskulptur auf dem Gelände der Freien Universität in Berlin Bild: FU Berlin

Noch im Glanz des frisch ereilten Exzellenzstatus, gibt es Knatsch an der Freien Universität (FU). Streitpunkt sind keine Elite-Millionen, sondern eine Bronzeskulptur auf dem Campusgelände. Die hatte Uni-Präsident Dieter Lenzen Anfang September vor dem zentralen Henry-Ford-Bau eingeweiht. Mit dem Denkmal soll Erststudenten der Hochschule gedacht werden, die in den 50er-Jahren von sowjetischen Militärtribunalen zum Tode verurteilt wurden. Für den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der FU ist die Skulptur "eine Provokation". Unter den zehn konkret erinnerten Schicksalen seien westliche Spione und NSDAP-Mitglieder gewesen. "Das ist ein Privatdenkmal von Herrn Lenzen", schimpft AStA-Sprecher Ralf Hoffrogge. In den Ferien aufgestellt und eingeweiht, sei nicht einmal die Professorenschaft vorab informiert worden.

Klötzern ragt diese heute über die frisch gemähte Wiese auf dem Dahlemer Uni-Gelände. Die massiven Bronzestelen lehnen in sich gebrochen aneinander, staken schimmernd in die Luft. Ein 15 Tonnen schweres Monument - laut FU die größte Bronzeskulptur Deutschlands. Für AStA-Sprecher Hoffrogge nichts als ein Massiv an "Hohlheit". "Das ist eigentlich nicht mal ein Denkmal", so der Geschichtsstudent. An der Skulptur verweise nichts auf die Namen und Schicksale der ermordeten Studenten. Stattdessen stehe an dem Monument nur eines vermerkt: der Sponsor - das Bankhaus Sal. Oppenheimer.

Immerhin wird auf einer Tafel zumindest allgemein der FU Studenten gedacht, "die für die Freiheit ihr Leben gelassen haben". Dass dies nicht näher ausgeführt wird, findet Hoffrogge wenig verwunderlich. Denn die damalige Rolle der späteren Opfer sei keineswegs klar. Der Historiker und FU-Professor Wolfgang Wippermann bestätigt, dass man einige der Hingerichteten der "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" zurechnen kann. "Eine zumindest fragliche, möglicherweise terroristische Vereinigung", so Wippermann. Die Gruppe soll in den 50er-Jahren militante Sabotageaktionen in der DDR durchgeführt haben.

AStA-Mitglied Hoffrogge spricht zudem von einem NSDAP-Mitglied unter den Studenten: "Bezahlte Agenten und alte Nazis sind sicherlich keine gedenkenswerten Vorbilder." Auch Wolfgang Wippermann hat Zweifel: "Eins ist klar: Dieses Denkmal ist nicht für die Gründungsstudenten der FU errichtet worden." AStA-Sprecher Hoffrogge sieht das Monument viel eher durch "den alten Westberliner Antikommunismus" motiviert.

Das Präsidium schweigt sich zu den Vorwürfen aus. Die Uni-Führung konnte der taz bislang keine Stellungnahme geben. Einzig der Künstler der Skulptur, Volker Bartsch, meldete sich zu Wort. "Ich verstehe mich nicht als politisches Instrument für irgendjemand", so der Berliner Bildhauer. Gleichwohl sei es fadenscheinig, den Opfern nachträglich "politische Zugehörigkeiten zuzuschustern". Die Vorwürfe der Studenten findet er spekulativ. "Bis heute ist da nichts nachgewiesen." Zudem müsse man das junge Alter der Studenten berücksichtigen. Es sei unklar, wie ernst man deren damalige politische Aktivitäten nehmen könne. "Heutzutage sollten viel mehr Leute nach vorne blicken, anstatt dauernd in der Vergangenheit zu kramen", moniert Bartsch.

Derweil kommt Verwunderung auch aus Berliner Kunstkreisen. Bartschs Skulptur werde an der FU nur zweitverwertet. Das Werk sei längst fertig gewesen und sollte ursprünglich in der Stadtmitte platziert werden. Bartsch selbst bestätigt Gespräche mit dem Berliner Senat. Dort habe man vergeblich über Standorte am Hauptbahnhof, dem Leipziger Platz oder nahe dem Bundestag diskutiert. Im Frühjahr 2007 erfolgte schließlich die Einigung mit FU-Präsident Dieter Lenzen.

Für den AStA zu viel der Ungereimtheiten. Er lädt am Dienstagabend zu einer Podiumsdiskussion über das Denkmal. Eingeladen ist auch der Uni-Chef. "Es wäre sehr beschämend, wenn Herr Lenzen nicht käme", sagt Wippermann. Sollten alle Recherchen stimmen, werde man eine Umwidmung des Denkmals fordern, verrät AStA-Sprecher Ralf Hoffrogge. Und auch Wippermann will sich weiter um das Denkmal "kümmern".

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