Muslimische Frauen in der Gesellschaft: Emanzen oder Unterdrückte?

Sie wollen nicht mehr nur als Opfer gesehen werden: Muslimische Frauen mit und ohne Kopftuch gründen ein Aktionsbündnis. Und sie stoßen dabei auf viel Misstrauen.

Muslimische Frauen: "Wir haben mehr zu bieten als den Opferstatus." Bild: dpa

Die gläubige Muslimin mit Kopftuch ist ein Wesen, das der Mehrheitsgesellschaft Rätsel aufgibt. Als emanzipiert gelten Musliminnen ohne Kopftuch wie die Autorin Necla Kelek oder die Anwältin Seyran Ates. Von Frauen mit Kopftuch aber meinen auch Frauenrechtlerinnen, sie hätten an Emanzipation kein Interesse. Sie würden von fundamentalistischen Organisationen vorgeschickt, um dem traditionell frauenfeindlichen Islam ein weibliches Gesicht zu geben. Nun haben muslimische Frauen mit und ohne Kopftuch ein Aktionsbündnis gegründet, mit dem sie nicht nur diesem Bild etwas entgegensetzen wollen.

Es sind Frauen aus traditionellen Verbänden wie dem Zentralrat der Muslime oder Ditib. Andere kommen aus muslimischen Frauenzentren wie dem Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen (BFmF) oder dem Zentrum für Islamische Frauenforschung in Köln. Am Dienstagabend stellte sich das Bündnis, das von der Muslimischen Akademie initiiert wurde, in der Heinrich-Böll-Stiftung vor. Und stieß gleich auf die bekannten Vorbehalte.

So versuchte Nigar Yardim vom Verband der Islamischen Kulturzentren darzustellen, dass muslimische Frauen mehr zu bieten hätten als den ihnen angedichteten Opferstatus. "In unsere Frauengruppen redet uns kein Mann hinein", betonte sie und kritisierte, dass muslimische Frauen auf die Probleme Zwangsheirat und Ehrenmord reduziert würden. Die Frauen in ihrem Zentrum hätten ganz andere Probleme wie etwa Arbeitslosigkeit. "Ich kenne keine Frau, die zwangsverheiratet wurde."

Das allerdings bezweifelte die Autorin Fatma Bläser, die seit Jahren an Schulen mit Jugendlichen arbeitet und das Frauenrechtsportal "Hennamond" im Internet betreut. "Sie erfüllen genau die Erwartungen der Männer in ihren Vereinen. Wenn Sie dort sagen würden, es gibt ein Problem, würden Sie diskriminiert." In den muslimischen Gemeinden sei die Kontrolle so stark, dass die Frauen ihre wahren Probleme nicht zur Sprache brächten. "Wenn die Moscheefrauen mit mir allein sind, reden sie ganz anders." In den Moscheen sei das nicht möglich: "Sobald man anfängt, über echte Gleichberechtigung in der Religion zu reden, wird man verteufelt."

Auch Collin Schubert von Terre des femmes verstärkte dieses Misstrauen gegen die emanzipatorischen Kräfte der Verbandsfrauen. Bei der Terre-des-femmes-Hotline steige die Zahl der Hilferufe muslimischer Mädchen kontinuierlich an. "Ich höre, dass in den Moscheegemeinden über diese Probleme nicht gesprochen wird", merkte Schubert an.

Und schon sahen sich die Musliminnen in der Verteidigungsposition, die sie eigentlich verlassen wollen. Amina Theißen vom BFmF verwies etwa auf einen von ihrem Zentrum entwickelten Flyer, der muslimischen Frauen vermitteln soll, dass der Islam ihr Selbstbestimmungsrecht keineswegs einschränkt, wie es traditionell gerne interpretiert werde. Mit entsprechenden islamischen Quellen unterstützt man Mädchen gegen patriarchale Koran-Interpretationen. Die Betreiberin von "muslimische-stimmen.de", Betül Yilmaz, verwies auf die Offenheit der Debatte auf ihrer Website, auf der sich etwa gemischte Ansichten zur Scharia finden. Die innerislamische Diskussion sei schließlich auch ein Ziel des Bündnisses, betonten die Frauen.

Dass da noch viel zu diskutieren ist, zeigte eine Broschüre über "Grundzüge der islamischen Erziehungslehre", die im Publikum durch die Reihen ging. Die konnte man am Tag der offenen Moschee in der Berliner Mevlana-Moschee kaufen. Darin wird offen für einen "patriarchalen Erziehungsstil" geworben: "Der Vater wird hier als Hauptverantwortlicher aufgrund seiner Bestimmung zum Familienoberhaupt hervorgehoben", heißt es. "Das kenne ich nicht", beteuert eine Frau vom Islamischen Kultur- und Erziehungszentrum Berlin, "geben Sie her, ich schreibe ein Gegenbuch!"

Wie die Auseinandersetzung auch in den Gemeinden zu führen ist, will das Aktionsbündnis am Beispiel "Gewalt" diskutieren. "Die Frage ist: Gehe ich den diplomatischen Weg, oder setze ich auf Konfrontation?", so Nigar Yardim. Ihre Antwort: "Ich will mit den Männern gemeinsam gehen." Und das scheint bisher immer noch eine wirklich scharfe Kontroverse auszuschließen.

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