Mehr Geld für Bundestagsabgeordnete: Der Diäten-Beutezug

Selten war sich die Koalition so einig: Die Diäten der Abgeordneten im Bundestag werden erhöht. Ist das gerechtfertigt? Oder übergehen die Volksvertreter das Volk?

Ist es kleinlich und peinlich, sich über diese Gehaltserhöhung aufzuregen? Bild: dpa

Demut ist laut Duden die "Gesinnung des Dienenden", Demut ist die "ehrfurchtsvolle Selbstbescheidung". Das Gegenstück der Demut ist Hochmut. Diesen zeigt derjenige, der den eigenen Wert höher einschätzt, als er wirklich ist, der sich über alle anderen erhebt. Demut und Hochmut - ohne diese beiden Begriffe ist die kräftige Gehaltserhöhung der Bundestagsabgeordneten nicht zu erklären.

Denn künftig erhalten die Volksvertreter 7.700 Euro im Monat - eine satte Steigerung um 9,4 Prozent. Für die Anhebung, die mit Kürzungen der Altersvorsorge einhergeht, stimmten 377 Abgeordnete, 166 stimmten dagegen bei 15 Enthaltungen. Ein Argument für die beschlossene Steigerung: Die Gehälter der Bundestagsabgeordneten sollen auf das Niveau von Bundesrichtern gebracht werden.

Ist es kleinlich und peinlich, sich über diese Gehaltserhöhung aufzuregen? Immerhin haben Abgeordnete nach Artikel 48 des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung sowie ein entsprechendes Ruhegehalt. Ist es also Demut, der die Politiker dazu antreibt, sich mehr Geld zu besorgen?

Immerhin sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Amtsantritt: "Ich will Deutschland dienen." Seitdem fliegt sie von Land zu Land, um für Völkerverständigung und gegen den Klimawandel zu kämpfen. Sieht man Merkel müde in den Nachrichten, gibt es immer wieder Momente, in denen man sich als Bürger Sorgen um die Volksvertreter macht - dass sie sich überarbeiten, deshalb zu schnell altern und dann nicht mehr richtig volksvertreten können.

Man muss ja nur hinsehen, um zu sehen, wie die Politiker leiden. Stundenlange Debatten auf harten Stühlen und der damit verbundene Ärger, nichts gegen steigende Preise und damit auch für ihr Volk tun zu können. Da ist es beruhigend, zu wissen, dass die Volksvertreter auch mal an sich denken und mehr verdienen wollen. Zeit, ihr Geld auszugeben, haben Politiker sowieso nicht, denn sie ackern rund um die Uhr. Es ist also die "Gesinnung des Dienenden", die hier befriedigt wird.

Oder ist es doch Hochmut? Ein auf Überheblichkeit beruhender Stolz, der durch die deftige Gehaltserhöhung aufgefangen wird. So nach dem Motto "Darfs ein bisschen mehr als genug sein"? Die Staatskasse ist wie ein Selbstbedienungsladen, und 7.770 Euro sind ein angemessenes Gehalt, wenn man sich ständig für das Volk aufreibt. Anders als bei den Lokführern muss bei den Abgeordneten niemand mit einem Streik drohen, um sein Gehalt aufzubessern.

Das Volk muss nicht befürchten, dass die Staatsgeschäfte mal eben so lahmgelegt werden. Denn die Abgeordneten handeln freihändig souverän, und wer sonst soll eine Änderung bestimmen als sie selbst? Die Kritiker aus dem parteipolitischen Schützengraben wurden schlicht übergangen. Um Zustimmung bemühte man sich kaum noch - des Volkes Widerstand ist zu geschlossen. Deswegen: Einfach mal so machen und diplomatisch leisetreten. Es braucht keinen Koalitionsausschuss zur Streitschlichtung, der kurze Weg vom Stuhl bis zur Wahlurne reicht aus. Bundestagsvizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (CSU) sprach von einer "ausgewogenen, sachgerechten" Lösung. Abgeordnete kämen auch künftig bei weitem nicht an die Gehälter etwa von Spitzenfußballspielern heran. Susanne Kastner (SPD) beklagte, dass sich Parlamentarier als einzige Berufsgruppe für ihre Einkommen ständig rechtfertigen müssten. Aber ist genau das nicht hochmütig? Denn Parlamentarier sind vom Volk gewählt, also müssen sie sich vor diesem erklären. Wer auf seinem Beutezug ertappt wird, muss damit rechnen, sich verteidigen zu müssen.

Aber was ist es denn nun? Demut oder Hochmut? Wie andere Berufstätige können auch die Abgeordneten nur mit einem Argument ihre Gehälter rechtfertigen: mit erfolgreicher Arbeit für ihre Arbeitgeber, das Volk. So gesehen liefert die große Koalition kein überzeugendes Argumente für die schnell beschlossene Gehaltserhöhung. So gesehen handelt es sich hier um Hochmut.

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