Bilanz der G8-Strafverfolgung: Schlechtes Zeugnis für Sondereinheit

In einer Bilanz des G-8-Gipfels lobt die Rostocker Staatsanwaltschaft die Polizei, übt aber auch Kritik: Es gab fast 1.500 Verfahren, und nur 44 Menschen wurden verurteilt.

Demonstranten protestieren am Samstag in Rostock gegen die G8-Verurteilungen. Bild: ap

BERLIN taz Sechs Monate nach dem G-8-Gipfel in Heiligendamm hat die Staatsanwaltschaft Rostock die Arbeit der "Kavala" als "sorgfältig" bezeichnet. Nur dank der gründlichen Beweissicherung der Sondereinheit der Polizei während des Treffens der Regierungschefs im Juni sei es der Anwaltschaft gelungen, die Straftaten "konsequent und mit Augenmaß" zu ahnden, heißt es in einer Bilanz zur G-8-Strafverfolgung.

Das Fazit überrascht. Denn der Bericht selbst stellt der Polizei kein besonders gutes Zeugnis aus, im Gegenteil: Von den 1.474 eingeleiteten Verfahren konnte die Staatsanwaltschaft Rostock in nur 147 Fällen Anklage erheben, 955 wurden eingestellt, größtenteils weil den Beklagten nichts nachzuweisen war. Teilweise stellte sich auch heraus, dass es sich nicht um eine Straftat, sondern nur um eine Ordnungswidrigkeit handelte, sodass die Verfahren an die Verwaltungsbehörden weitergeleitet wurden. Im schlimmsten Fall droht hier ein Bußgeld.

Kritiker beklagen seit längerem die hohe Zahl der Verfahren. So wirft das Antirepressionsbündnis, das am vergangenen Wochenende in Rostock zu einer "Demonstration gegen Überwachungsstaat und Justizwillkür" aufgerufen hatte, den Behörden Unverhältnismäßigkeit vor. Laut Peter Lückemann, Sprecher der Staatsanwaltschaft Rostock, ist das Verhältnis von Klagen und Verurteilungen jedoch nicht ungewöhnlich. "Wir haben eine Sanktionsquote von 30 Prozent, das ist Standard", so Lückemann.

Dennoch wirkt die Zahl von 44 rechtskräftig Verurteilten bei fast 1.500 Verfahren erstaunlich klein. In 41 Fällen verhängte das Gericht Geldstrafen, in drei gab es Freiheitsstrafen auf Bewährung. Die bislang höchste, noch nicht rechtskräftige Freiheitsstrafe liegt bei neun Monaten.

In den meisten Fällen ging es um Landfriedensbruch, Körperverletzung und Widerstand gegen die Polizei.

Insgesamt 64 Verfahren richteten sich gegen Polizisten, meist wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Davon wurden 38 Fälle eingestellt, 26 laufen derzeit noch.

Carsten Gericke, Vorstandsmitglied des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins, sieht die Menge der Verfahren als Versuch, die Repressionen der Polizei nachträglich zu legitimieren. An diesem Dienstag will er beim Verwaltungsgericht Schwerin zusammen mit anderen Anwälten eine Sammelklage gegen die Polizeidirektion Rostock einreichen - wegen haltloser Inhaftierungen und unmenschlicher Haftbedingungen. "Für uns ist es wichtig, zu dokumentieren, wie viele Beklagte zu Unrecht beschuldigt wurden", so Gericke.

Auch für Christoph Kleine, der sich während des Gipfels bei "Block G 8" engagierte, einer Kampagne für Massenblockaden gegen Heiligendamm, sind die Einstellungen keine Überraschung. Die Klagen hätten von Anfang an keine Substanz gehabt. "Jetzt hoffe ich nur noch, dass der Rest auch so schnell eingestellt wird", sagte Kleine.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.