Waffenstillstand gekündigt: In Sri Lanka droht wieder offener Krieg

Die Regierung hat offiziell den vor knapp sechs Jahren vermittelten Waffenstillstand mit den separatistischen Tamilenrebellen gekündigt.

Anschlag nach der Aufkündigung des Waffenstillstands Bild: dpa

Sri Lankas nicht erklärter Krieg wird wieder zum erklärten. Am Mittwoch beschloss die Regierung, das 2002 mit den Tamil Tigers (LTTE) geschlossene Waffenstillstandsabkommen zu kündigen. Am Donnerstag überbrachte Außenminister Rohitha Bogollagam in der Hauptstadt Colombo dem Botschafter Norwegens, das Waffenstillstandsbeobachter stellt und die Übereinkunft vermittelt hatte, die entsprechende Notifikation. Damit tritt in zwei Wochen nach einem tamilischen Feiertag offiziell wieder der Kriegszustand ein. Die LTTE reagierte zunächst mit einem Anschlag, bei dem mindestens zwei Soldaten starben.

Norwegens Entwicklungs- und Umweltminister Erik Solheim, der 2002 vermittelt hatte, bedauerte die Entscheidung, die nach immer häufigeren Verletzungen beider Seiten kommt. Er fürchtet, dass "Gewalttaten und Kriegshandlungen weiter zunehmen werden". In den letzten beiden Jahren starben bereits über 5.000 Menschen vor allem in den nördlichen und östlichen Provinzen, wo die LTTE für einen tamilischen Staat kämpft. Erste Konsequenz ist, dass die Beobachtungsmission abgezogen werden muss. Damit wird die Lage der Zivilbevölkerung im Norden noch prekärer. Schon jetzt bekommt das Welternährungsprogramm keinen Zugang zu 9.000 Flüchtlingen im LTTE-Gebiet, das die Armee blockiert.

Dem Kabinettsbeschluss ging ein Minenattentat auf einen Armeetransport in Colombo mit vier Toten voraus. Der Anschlag trägt die Handschrift der LTTE, die damit auf die Eskalation der Gewalt im Norden reagiert haben dürfte. Die Rebellen klagen über ethnische Säuberung, weil in von tamilischen Vertriebenen verlassenen Dörfern buddhistische Singhalesen angesiedelt werden. Außerdem sieht sie einen schmutzigen Krieg gegen die Zivilbevölkerung, in dem sich die Regierung zunehmend tamilischer Paramilitärs bedient, um die soziale Basis der LTTE zu bekämpfen. Prominentestes Opfer war zuletzt der tamilische Oppositionsabgeordnete Thyagarajh Maheswaran, der am Neujahrstag in einem Hindutempel erschossen wurde. Er hatte angekündigt, Details über die Verwicklung von Regierungskreisen in eine Terrorkampagne der paramilitärischen EPDP im nördlichen Jaffna zu enthüllen. Darauf strich ihm das Innenministerium 16 der 18 Leibwächter.

Bereits in den letzten Monaten hat die Regierungsarmee immer wieder in dem Gebiet zugeschlagen, das laut Waffenstillstandsabkommen von der LTTE verwaltet wird. Im November wurde S. P. Tamilselvan, der politische Führer der Rebellen, Opfer eines gezielten Angriffs. Regierungspolitiker deuteten zuletzt an, der Konflikt sei militärisch zu gewinnen. Im LTTE-Hauptquartier in Kilinochchi rechnet man jetzt mit einer Großoffensive.

Vielleicht will die Regierung auch vollendete Tatsachen schaffen, solange George W. Bush noch US-Präsident ist. Erklärungen der Kandidatin Hillary Clinton, man dürfe den Begriff Terrorismus nicht undifferenziert auf alle Rebellenbewegungen anwenden, haben in Colombo Alarm ausgelöst.

VON RALF LEONHARD

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