Die festen Freien beim NDR: Warnstufe Orange

Nach 15 Jahren ist Schluss: Freie MitarbeiterInnen beim NDR protestieren gegen "absurde" Arbeitsbeschränkungen. Der neue Intendant signalisiert Gesprächsbereitschaft.

Jobst Plog geht in Rente, dei festen Freien gehen auf die Straße. Bild: dpa

Der junge Mann auf YouTube kann einem schon leidtun: Da ackert er jahrelang als fester freier Mitarbeiter für den NDR, doch wenn sein x-mal verlängerter Rahmenvertrag ausläuft, steht er im Regen. Das Ganze wird sehr hübsch und lach- wie sachgeschichtengerecht von einem Kinderstimmchen erzählt; Motto: "Mein Papi ist fester Freier beim NDR."

Denn bei allem Spaß an diesem im "extra3"-Stil gedrehten Filmchen steckt dahinter eine Praxis, die beim NDR schon länger für Unruhe sorgt: Die sogenannten festen Freien, die de facto wie Festangestellte arbeiten, arbeits- und steuerrechtlich aber als freie Mitarbeiter gelten, erhalten von der Anstalt nach maximal 15 Jahren eine rund ein Jahr dauernde Arbeitssperre verhängt. Danach darf zwar wieder für die Anstalt gearbeitet werden - aber nur ein bisschen, bis zum maximalen Jahreshonorar von 18.000 Euro.

Beim NDR wird - wie bei den meisten öffentlich-rechtlichen Sendern - das Gros der tatsächlichen Programmbeiträge von freien MitarbeiterInnen bestritten. Um diesen keine rechtliche Möglichkeit zu geben, sich als Festangestellte in das Unternehmen einzuklagen, gibt es bei allen ARD-Anstalten unterschiedliche Beschränkungen in Sachen Arbeitsumfang.

"Wir haben hier aber die absurdeste Regelung", sagt ein Mitarbeiter: "Der NDR hat zwar festangestellte Gärtner, aber kaum noch festangestellte Journalisten, die wirklich Programm machen." Zwar betone der Sender stets, die Freien sollten sich ein "zweites Standbein" für die Zeit nach dem NDR schaffen - "doch so, wie wir hier in Dienstpläne eingeteilt sind, gelingt das kaum jemandem", sagte eine Betroffene: In der Praxis erwarte der Sender vollen Einsatz - und setzte am Ende auch gute Leute einfach vor die Tür. "Der NDR hat in den vergangenen Jahren gute JournalistInnen, brillante RechercheurInnen und beliebte ModeratorInnen reihenweise weggeschickt, anstatt sich mit ihrem vermeintlich hohen Festanstellungsrisiko konstruktiv auseinanderzusetzen", heißt es in einem offenen Brief, der gestern dem neuen NDR-Intendanten Lutz Marmor überreicht wurde.

Marmor wie der scheidende NDR-Chef Jobst Plog sahen daher gestern orange: In dieser Farbe protestiert die MitarbeiterInnen-Initiative "Freie im Norden" gegen die missliebigen Auflagen. Zur gestrigen Hausversammlung gabs orange Blumensträuße am orange Teppich für den neuen hohen Herrn. Marmor erklärte laut TeilnehmerInnen denn auch, er sei "zu Gesprächen bereit", können aber "keine Wunder versprechen". Beim WDR, dessen Verwaltungsdirektor Marmor zuvor war, wird nach Angaben von "Freie im Norden" zwischen zwei Sorten freier Mitarbeit unterschieden: Sogenannte "programmgestaltende" Freie können bis zu zehn Tage pro Monat für den WDR arbeiten, nicht programmgestaltende nur vier Tage. Honorar- oder Höchstdauer-Grenzen gibt es dafür nicht.

Der scheidende NDR-Chef Jobst Plog, der heute mit großem Bahnhof und Altkanzler Gerhard Schröder verabschiedet wird, sagte auf seine Weise servus: In seiner letzten Rede vor den MitarbeiterInnen betonte Plog, dass die Freien beim NDR "die größte Wertschätzung genießen - auch ohne, dass sie Flugblätter verteilen". Die Freien wollen dem NDR nun zeigen, wie es anders geht: Sie wollen am 14. Februar der Anstalt fernbleiben - und ihr zweites Standbein pflegen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.