Kolumne Ökosex: Kleinwagenfahrer im Klimafieber

Durch Frankreich schwappt neuerdings die grüne Welle - vielleicht hilft das ja der EU beim Klimaschutz auf die Sprünge.

Ich hatte diese Woche in Paris zu tun. Paris geht ruckizucki von Maastricht aus. Ich steige einfach in den Zug nach Lüttich. Dort umsteigen in den Thalys. Der brettert zwei Stunden hochgeschwindigkeitsmäßig vor sich hin, hält kurz in Brüssel, und schwupps bin ich am Gare du Nord. Leider war ich nicht in Paris wegen lamour fou und dieser Geschichten. Mir ging es um die amour verte, um die plötzliche Entdeckung der Ökologie.

Frankreich ist nämlich ganz ökosexverrückt. In Paris stehen in großen Stationen exotische Fahrräder, die ein bisschen aussehen wie Mopeds. Die kann man mieten, mit einer Kreditkarte. Ich sah echte Franzosen in eleganten Anzügen auf der Busspur radelnd. Es gibt sogar neue Wegweiser für Fahrradfahrer.

Und das ist noch nicht alles: Im Supermarkt lag zu meinem Erstaunen dunkles biologisches Brot.

Rauchen ist überall verboten. Im Hotel hab ich stundenlang ökologische Autowerbung geguckt. Immer ganz prominent der Hinweis auf den flachen CO2-Wert wegen der Verantwortung gegenüber unseren Enfanten. Die große Nation ist stolz: Wir sind das Land der Kleinwagenfahrer: Kleinwagenfahren ist Ökosex.

Sind die Franzosen denn alle öko oder was? Frage ich am Abend eine deutsche Bekannte, die aus Paris als Korrespondentin berichtet. Tja, das sei ein bisschen merkwürdig. Für Frankreich sei diese grüne Welle ja sehr bemerkenswert, und da tue sich ja auch einiges. 2007 gab es den "Grenelle". Das war ein Dialog verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, bei dem Regierung und Gesellschaft neue Ziele in der Umweltpolitik festgelegt hatten. Angestoßen wurde alles von Monsieur Hulot. Das ist ein ehemaliger Fersehjournalist - ein Klaus Kleber sozusagen -, der die öffentliche Meinung zugunsten von grünen Ideen aufgemischt hatte. Und jetzt hat sich zumindest die Rhetorik stark verändert.

Natürlich beginnen die Franzosen auch teilweise auf sehr bescheidenem Niveau. So ist bei der französischen Variante der Nachhaltigkeit der Atomstrom natürlich voll integrationsfähig. Ob ich übrigens schon vom Pressluftauto gehört habe, frag meine Pariser Bekannte. Pressluftauto! Voilà! Ist das wieder in den Medien? Seit Jahren verfolge ich die Aktivitäten der französischen Firma MDI (theaircar.com). Wie jeder weiß, hat der französische Erfinder Guy Negre schon vor Jahren behauptet, sein Pressluftauto stehe kurz vor der Markteinführung. Aber irgendwie wurde die Produktion dann doch immer wieder verschoben. Jetzt soll sogar die indische Firma Tata Motors, das sind die mit dem 2.000-Euro-Auto, bei MDI eingestiegen sein. Wird am Ende der Traum meines Freundes Dommy doch noch wahr? Der wollte schon immer mit dem Strom seiner PV-Anlage das eigene Luftauto aufpumpen und mich zu einer Spritztour einladen. Mit oder ohne Pressluft: Frankreich wird im zweiten Halbjahr 2008 die EU-Präsidentschaft übernehmen und dann hoffentlich auf den Putz hauen, damit es vorangeht mit der Umweltpolitik in unserer schönen EU. Die Ziele der EU im Klimaschutz sind ja an sich dufte. Immer was mit 20. 20 Prozent Treibhausgasminderung bis 2020. 20 Prozent Erneuerbare bis 2020. Und 20 Prozent Energieeffizienzgewinn bis 2020.

Wie das erreicht werden soll, hat die Kommission am Mittwoch vorgeschlagen und auch pro Land "Minderungsziele" vorgelegt. Ökosex freut sich natürlich schon auf die Ausreden der einzelnen Staaten und den Kuhhandel, der jetzt im Rat beginnt. In Belgien ging es schon los. Viel zu hoch für die schwierige Situation im Lande! In Schweden findet man auch, mit 40 Prozent erneuerbaren Energien schon weit mehr zu tun als die anderen. Dänemark ist "not amused". Der deutsche Wirtschaftsminister Glos auch nicht. Glücklicherweise sieht das in der Öko-Idylle Frankreich anders aus: Umweltminister Borloo reagierte sehr positiv, denn Frankreich werde 2020 sowieso Champion der CO2-armen Ökonomie sein.

Superb! Da wünschen wir den Kleinwagenfahrern viel Erfolg beim Verhandeln.

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