Hip Hop: Rap macht keine Gangster

Diskussionsveranstaltung über Jugendgewalt Das Fazit: Wegen Hip Hop wird niemand zu Schläger.

Viel Ehre für Machorapper: Bushido erhält den MTV European Music Award Bild: AP

"Wäre Koch ein Jugendlicher wäre er Gangster-Rapper." Mit dieser provokanten These eröffnete der Berliner Ethnologe Wolfgang Kaschuba von der Humboldt Universität die Diskussion. "Gibt es eine neue Form von Jugendgewalt, welche Rolle spielt dabei gewaltverherrlichender, menschenverachtender Hip Hop?" Zu einer Podiumsveranstaltung mit diesem Titel hatte am Montag Abend die Fraktion der Grünen ins Abgeordnetenhaus geladen. Vor etwa 60 Zuhörern diskutierte Kaschuba unter der Moderation von taz-Redakteur Daniel Bax mit der jugendpolitischen Sprecherin der Grünen, Clara Herrmann, einem Schulleiter, einem Streetworker und einer Vertreterin der Initiative Schule ohne Rassismus.

Einig waren sich die Teilnehmer: Wegen Hip Hop wird niemand zu Schläger. Und: Die Gründe für die derzeit viel diskutierte Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen sind in ihrem sozialen Umfeld zu suchen. Und: Man muss die schwulenfeindlichen, sexistischen, rassistischen und gewaltverherrlichenden Texte von sogenannten Gangster-Rappern wie Bushido ablehnen.

Schließlich lenkte Streetworker Olad Aden von der Initiative Gangway das Gespräch auf die Bedeutung des Raps für Berliner Jugendliche lenken. "Rap ist die Sprache, die Berliner Jugendliche aus den Kiezen sich als Ausdruckform ausgewählt haben, um miteinander zu kommunizieren. Das gilt gleichermaßen für Türken, Araber und Deutsche. Das verbindet auch. Und hierin liegt die Chance des Raps." Es gebe im Rap viele Richtungen und nicht nur den Gangster-Rap. Aber Bands wie "Freundeskreis" aus Stuttgart, die in ihren politischen Texten für Gleichberechtigung und internationale Verständigung stehen, würden in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Der Grund dafür: "Die Plattenindustrie hat gemerkt, dass mit Gangster-Rap mehr zu verdienen ist", so Aden. "Damit fördert die Industrie, dass junge, talentierte Rapper aus Berlin auf Gangster-Rap setzen, um mit der Musik Kohle zu machen."

"Dass unsere Jugendliche immer gewaltbereiter werden, ist auch falsch," warf Sanem Kleff vom Projekt Schule ohne Rassismus ein. "Warum glauben wir gerade bei Thema Jugendgewalt nicht den Polizeistatistiken?" Für sie ist die Diskussion um den Zusammenhang von Rap und Gewalt ein Problem des Bildungsbürgertums, das gerne über bildungsferne Kinder spreche. "Aber dass Migranten durch den Rap zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine Ausdrucksform gefunden haben, mit der sie die Öffentlichkeit erreichen, darüber spricht niemand."

Zwei interessante Meinungen in einer eher faden Diskussion. Und in der, noch dazu, wenig Neues gesagt wurde: Schließlich hat die Jugend immer schon durch Musik, Klamotten und Sprache provozieren wollen. Das war in den 60ern nicht anders als heute.

Für einen jungen Hip-Hoper aus dem Saal war das Ergebnis der Diskussion dann auch ernüchternd: "Für mich haben diese Diskussionen etwas von einem DVD-Player. Drückt man auf Play, kommt immer wieder die gleiche Leier." Norman Seibert

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