Kerstin Müller über Afghanistan: "Mandat für 18 Monate? Skandalös"

Die grüne Außenpolitikerin Kerstin Müller will die Strategie des Afghanistan-Einsatzes zum Thema des Bundestagswahlkampfs machen.

Mehr Soldaten in Afghanistan? Lieber besseren zivilen Aufbau, findet Müller. Bild: dpa

taz: Frau Müller, angeblich will die Bundesregierung den Bundestag schon im Sommer über ein erweitertes und verlängertes Mandat für den Afghanistaneinsatz abstimmen lassen: 4.500 statt 3.500 Soldaten, eine Ausdehnung des Verantwortungsbereichs nach Westen, Laufzeit 18 Monate. Werden die Grünen zustimmen?

Kerstin Müller: Bevor man über eine derartige Erweiterung des Mandats spricht, erwarte ich, dass die Bundesregierung endlich darlegt, wie sie sich den notwendigen und angekündigten Strategiewechsel in Afghanistan vorstellt. Wir brauchen dort mehr und besseren zivilen Aufbau statt immer nur mehr Soldaten, um die Herzen der Menschen zu gewinnen. Skandalös fände ich es, ein neues Mandat deshalb länger als ein Jahr laufen zu lassen, weil man die notwendige Verlängerung aus dem Bundestagswahlkampf 2009 heraushalten will. Man muss sich schon auch mit den Wählern über den Afghanistaneinsatz auseinandersetzen.

Werden die Nato-Partner zufrieden sein, wenn Deutschland mehr Soldaten schickt?

Ich glaube nicht, dass die Bundesregierung mit einer derartigen Aufstockung die Debatte über einen Einsatz im Süden totkriegt - so wenig, wie man das jetzt schon mit dem Einsatz einer schnellen Eingreiftruppe geschafft hat. Ich bin sicher, dass insbesondere der Druck der USA bleiben wird, und zwar gerade dann, wenn dort die Demokraten die Wahlen gewinnen. Eine demokratische Regierung wird auf eine stärkere multilaterale Arbeitsteilung setzen - und damit auch mehr deutsches Engagement erwarten, und zwar in Südafghanistan. Da darf man sich nichts vormachen.

Der ehemalige grüne Außenminister Joschka Fischer hat gesagt, Deutschland müsse auch in den Süden. Die Bundesregierung gestehe sich das nur nicht ein.

Ich teile Joschkas Meinung nicht. Solange die Bevölkerung derartig skeptisch gegenüber dem Einsatz in Afghanistan ist, wird man erst recht keine Mehrheit für einen Einsatz im umkämpften Süden bekommen.

Angeblich werbe die Bundesregierung auch nicht genug um Unterstützung.

Ich glaube, da ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Im Gegenteil würden solche Anstrengungen die Vorbehalte wahrscheinlich eher erhöhen. Jetzt muss es darum gehen, für mehr Akzeptanz für den Afghanistaneinsatz im Norden zu werben. Denn es gibt ja Erfolge wie eine Studie der Freien Universität Berlin vor Ort jüngst gezeigt hat.

Ihr Fraktionskollege Winfried Hermann fordert, den von Verteidigungsminister Jung angekündigten Einsatz der schnellen Eingreiftruppe im Bundestag abzulehnen. Die voreilige Zustimmung der Grünen-Fraktionsmehrheit entspreche nicht dem Votum der Basis, wie es auf dem Göttinger Parteitag zum Ausdruck kam.

Ich finde nicht, dass das richtig ist. Die schnelle Eingreiftruppe ist eine Reservetruppe, die dazu dienen soll, die Soldaten im Norden aus schwierigen Situationen rauszuhauen. Nur im Ausnahmefall darf sie außerhalb des Nordens eingesetzt werden.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.