Budd Schulbergs Hollywood-Roman: Er verhaftete Leni Riefenstahl

Budd Schulberg stellt seinen großen Hollywood-Roman in Berlin vor und erzählt aus seinem bewegten Leben.

Die Lettern der Legenden. Bild: ap

Als Bette Davis von der Talkmasterlegende Dick Cavett einst gefragt wurde, was das wahrhaftigste Buch über Hollywood sei, antwortete sie, das sei Budd Schulbergs "What makes Sammy run?" von 1941. Da könne man nachlesen, dass die Männer, die in Hollywood das Sagen hatten, intuitive Spieler gewesen seien. Allerdings hatte Schulberg mit seinem ersten Buch, das wider Erwarten ein durchschlagender Erfolg wurde, keineswegs eine Heldensaga im Sinn. Es war vielmehr ein zorniges Buch über einen aggressiven, gewissen- und schamlosen Menschentypus, der Hollywood als natürliche Umwelt schätzt, in der seine karrieristischen Fähigkeiten am besten gedeihen können.

"What makes Sammy run?" war zu seiner Zeit derart skandalös, dass sein Autor Hollywood verlassen musste. Noch heute ist das Buch Hollywood für eine Verfilmung zu heiß, angeblich hat sich noch vor kurzem Steven Spielberg dagegen ausgesprochen. Schulbergs Vater, selbst ein Top-Produzent bei Paramount, hatte ihn gewarnt: Er würde in der Stadt keinen Job mehr bekommen. An die väterliche Prophezeiung erinnerte sich der inzwischen 93-jährige Schulberg am Dienstag in Berlin, wo er im schönen und ebenfalls betagten Clärchens Ballhaus mit Harry Rowohlt auftrat, um die gelungene Neuübersetzung dieses Klassikers vorzustellen, die im April im Verlag Kein & Aber erscheinen wird.

Diverse Studiobosse wollten sich in Schulbergs Buch wiedererkannt haben, während Ultrarechte wie John Wayne die Geschichte des Frettchens Sammy Glick für antiamerikanisch hielten. Weitaus schlimmer war für den Kommunisten Schulberg, dass die lokale Parteigliederung beim Manuskript ein Wörtchen mitreden wollte, um dem Text die Verherrlichung der kalifornischen Arbeiterklasse beizubringen.

Schulberg hatte genug vom Stalinismus und trat aus der Partei aus. Dann aber tat er etwas, was die von der antikommunistischen Hexenjagd Verfolgten ihm bis heute vorwerfen: Er meldete sich freiwillig als Zeuge vor dem Komitee des "House Un-American Activities Committee" und nannte dort auch Namen. Derzeit produziert sein Sohn einen Film über den wachen alten Herrn, der sich mit dem Sprechen schon etwas schwertut. Die Dokumentation räumt dieser Geschichte und den vehementen Kritikern Schulbergs viel Platz ein, was für den liberalen Geist der Familie Schulberg spricht.

Trotz dieser Abrechnung mit einstigen Weggefährten blieb Schulberg immer ein aufrechter Linker. Er schrieb das Buch für "On the waterfront" mit Marlon Brando, der den New Yorker Hafenarbeitern gewidmet ist, die sich unter Anleitung eines radikalen Jesuiten gegen die Willkürherrschaft ihrer mafiösen Bosse und korrupten Gewerkschaftsführer erhoben. Er besuchte Castro und Guevara in Kuba, um sich über die Revolution zu informieren, und setzte sich zu Hause zeitlebens für die ein, die unten sind. Spike Lee und viele andere lieben ihn heute noch dafür.

Als der Berliner Abend voller Reminiszenzen aus einem langen, kontroversenreichen Leben eigentlich schon vorbei war, bohrte Harry Rowohlt noch einmal nach: 1945 war Schulberg nämlich als Offizier für die Vorbereitung der Nürnberger Prozesse abgestellt und erhielt den Auftrag, Leni Riefenstahl wegen "Triumph des Willens" zu einer Einvernahme abzuholen. Die, so erinnert sich Schulberg, versuchte sich schon damals damit herauszureden, sie sei ja immer vollkommen unpolitisch gewesen. Schulberg, der bereits gegen ihren Olympia-Film auf die Straße gegangen war, entgegnete knapp, das könne sie gern den Richtern erzählen. Dann verhaftete er sie. Der Geist Sammy Glicks sollte nicht siegen.

ULRICH GUTMAIR

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