Integration ist kein Wahlkampfthema : "Wir brauchen mehr Einbürgerungen"

Die Lage der Migranten hierzulande und die deutsche Einbürgerungspraxis sind besser als ihr Ruf, sagt der Christdemokrat und nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet.

Ein Teil der deutschen Mitbürger hat das mit den Grundrechten noch nicht ganz verstanden. Bild: dpa

taz: Herr Laschet, werden Einwanderer in Deutschland zur Assimilierung gezwungen, wie der türkische Ministerpräsident Erdogan in Köln meinte?

ARMIN LASCHET, 46, ist Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen. Er wurde in Aachen geboren, engagiert sich in christlichen Jugendgruppen und studierte Rechts- und Staatswissenschaften. Er arbeitete u. a. für Radio und Fernsehen. Von 1987 bis 1994 war er wissenschaftlicher Berater bei der Präsidentin des Deutschen Bundestags, Rita Süssmuth. Seit 2005 ist er Minister im Kabinett Rüttgers.

Armin Laschet: Gerade in Köln hätte sich Herr Erdogan vom Gegenteil überzeugen können. Dort wird eine der repräsentativsten Moscheen in Deutschland gebaut

... begleitet von massiver Kritik, auch aus der Union.

Es ist gut, dass diskutiert wird. Aber die Moschee wird gebaut. Von einem Zwang zur Assimilierung in Deutschland kann ich jedenfalls nichts spüren.

Im neuen CDU-Grundsatzprogramm wird eine "Leitkultur in Deutschland" hochgehalten. Das heißt doch - einseitige Anpassung der Einwanderer.

Nein. Wir brauchen eine gemeinsame Leitkultur. Dreiviertel der Gesellschaft können einem Viertel nicht vorschreiben, wie es zu leben hat. Alle zusammen müssen definieren: Was macht unser Land aus? Das ist für mich der Kern der Leitkultur-Debatte. Niemand verlangt von den Migranten, dass sie ihre Kultur, Religion oder Lebensgewohnheiten ändern.

Wenn jeder leben kann, wie er will: Warum ist dann die Aufregung so groß über Erdogans Vorschlag, in Deutschland türkische Schulen zu errichten?

Weil das der Integration schaden würde. Man kann das auch nicht mit einer deutschen Schule in Istanbul vergleichen. Dort schickt die türkische Oberschicht ihre Kinder hin, damit sie eine Fremdsprache lernen und ein Bildungsplus haben.

Es kann ja türkische Eliteschulen in Deutschland geben.

Ich glaube nicht, dass Erdogan das gemeint hat. In türkischen Schulen in Deutschland würden am Ende jene Kinder gehen, die Probleme mit der deutschen Sprache haben. Nach ihrer Schulzeit würden sie ausgegrenzt werden und auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben.

Die Union feiert die Kanzlerin dafür, die ersten Integrationsgipfel initiiert zu haben. Doch konkret verschlechtern sich die Bedingungen für Migranten. Ein Beispiel: Die Einbürgerungstests, die es ab September deutschlandweit geben wird. Wie passt das zusammen?

Nein, die Bedingungen verschlechtern sich nicht. Wir sind dabei, sie zu verbessern. Die Einbürgerungstests sind normale Tests, wie sie jedes Einwanderungsland hat. Da werden Grundkenntnisse über Staat und Gesellschaft abgefragt. Alle Gesinnungstests sind zum Glück vom Tisch. Wir brauchen mehr Einbürgerungen. Jede Einbürgerung ist ein Integrationserfolg.

In Baden-Württemberg gibt es weiterhin einen "Gesprächsleitfaden", der Einstellungen zu Extremismus, Zwangsheiraten oder Gleichberechtigung abfragt.

Man wird die Erfahrungen mit den Tests abwarten müssen. Auch die Sprachanforderungen sind womöglich zu streng. Momentan wird bei Einbürgerungen sehr viel verlangt. Wichtig ist, dass man Deutsch spricht. Aber nicht, dass man Goethe-Gedichte rezitieren kann.

Im CDU-Grundsatzprogramm findet sich an keiner Stelle das Wort "Einwanderer". Warum tut sich die Union immer noch so schwer mit dem Wort "Einwanderungsland"?

Ich habe keine Probleme mit dem Begriff, weil er die Realitäten beschreibt. De facto sind wir ein Einwanderungsland. Wir brauchen einen qualifizierten Zuzug. Aber der Schwerpunkt liegt auf der "nachholenden Integration", wie es der Migrationsforscher Klaus Bade nennt.

Sie haben kürzlich in einem offenen Brief Roland Kochs Wahlkampf kritisiert - aber erst nach der Wahl. Warum so spät?

Ich habe weder Roland Koch noch seinen Wahlkampf kritisiert. Die Nachricht dieses offenen Briefs sollte sein: Es ist klug, beim Thema Integration auch in Wahlkämpfen einen Konsens der Demokraten zu pflegen.

Warum eignet sich Integration nicht als Wahlkampfthema?

Es gibt so viele Themen, über die wir streiten können. Das muss nicht auch noch bei diesem Thema sein. In den 70er-Jahren gab es einen Konsens zwischen CDU und SPD, die Rentenpolitik nicht in den Wahlkampf zu ziehen. Alle großen Rentenreformen seit den 50er-Jahren wurden gemeinsam verabschiedet. Das sollte heute für die Integrationspolitik gelten.

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