: Reishi gegen Hatschi?
ALLERGIEN Fast jeder zweite Bundesbürger reagiert allergisch auf Pollen, Tierhaare oder bestimmte Nahrungsmittel. Natürliche Behandlungsmethoden wirken besser dagegen als konventionelle
Bereits 30 Millionen Menschen leiden in Deutschland unter Allergien, schätzt die Bundesregierung. Fast jeder zweite Bundesbürger reagiert also allergisch auf Dinge wie Pollen, Tierhaare oder bestimmte Nahrungsmittel. Vor allem der Heuschnupfen ist zur Volkskrankheit avanciert – denn der Klimawandel führt dazu, dass Pflanzen immer früher blühen, die Vegetationsperiode insgesamt verlängert sich, es wird wärmer.
Perfekte Startbedingungen für den Pollencocktail, den Bäume wie Birke und Erle oder Kräutern wie Beifuß und Wegerich in ihrer Blütezeit ausstoßen. Die winzigen Blütenpollen macht vielen Menschen monatelang zu schaffen: Der Körper schüttet das Hormon Histamin aus, das bringt das Immunsystem auf Hochtouren, vor allem Atemwege und Augen sind betroffen. Während die Allergene bekannt sind, weiß man über die Ursache der Unverträglichkeiten bisher nur wenig. Entsprechend grob ist die Therapie – das Immunsystem wird mit Histaminblockern chemisch herunterreguliert. Die Beschwerden werden damit aber nur gemildert, zudem machen vielen Patienten die Nebenwirkungen zu schaffen, vor allem Müdigkeit und Reizbarkeit.
Alternative Therapien dagegen sollen das natürliche Gleichgewicht wiederherstellen, und versprechen, nebenwirkungsfrei zu sein. So etwa die Homöopathie: Die nach dem „Ähnlichkeitsprinzip“ funktionierende Heilkunde setzt Natur gegen Natur. Homöopathische Nachschlagewerke führen etwa 90 verschiedene Heilmittel gegen Heuschnupfen auf, von der Küchenzwiebel über den Schwammkürbis bis zum Läusesamen. Was da eigentlich passiert, beschrieb Globuli-Pionier Samuel Hahnemann im 19. Jahrhundert so: „Die homöopathische Heilkunst entwickelt die innern, geistartigen Arzneikräfte der rohen Substanzen mittels einer ihr eigenthümlichen Behandlung.“ Die Wirkstoffe werden „potenziert“, indem man sie in mehreren Schritten jeweils im Verhältnis 1:10 verdünnt, bis sie kaum noch nachweisbar sind. An der Wirkung selbst ändert das angeblich nichts: „Wir konnten wiederholt Effekte homöopathischer Potenzen im Labor beobachten“, sagt etwa der Potenzierungsforscher Stephan Baumgartner. „Je komplexer der Organismus, desto deutlicher ist die Reaktion auf Homöopathika“, so der ausgebildete Physiker, der als Dozent an der Kollegialen Instanz für Komplementärmedizin (Kikom) der Universität Bern arbeitet. Von einer Selbstbehandlung sollte man jedoch absehen und stattdessen lieber einem homöopathisch ausgebildeten Mediziner vertrauen. Denn im Vordergrund steht die Individualität einer Erkrankung – ohne ausführliche Erhebung der persönlichen Lebensumstände geht es nicht. Bei der Erstbehandlung dauert die „Anamnese“ oft länger als eine Stunde.
Anders als die Homöopathie ist die Akupunktur keine Erfindung der Neuzeit – sie gehört zu den klassischen Methoden der traditionellen chinesischen Medizin. Das Setzen von Nadeln an bestimmten Punkten des Körpers kann auch Allergien lindern. Heuschnupfen kannte man früher zwar nicht, doch manche Symptome wie das Niesen oder tränende Augen passen in überlieferte Schemata. „Die traditionelle Umschreibung für solche allergieähnlichen Beschwerden lautet ‚Schwäche der Milz‘ “, so Dominik Irnich, Akupunktur- und Schmerzforscher am Münchner Uniklinikum, wo es eine naturheilkundlich orientierte Schmerzambulanz gibt.
Empfehlenswert ist eine rechtzeitige Behandlung vor der eigentlichen Pollensaison: „In der Regel geht man von zwei Sitzungen pro Woche aus, insgesamt etwa acht- bis zwölfmal“, so Irnich, der die Akupunktur nicht nur selbst praktiziert, sondern auch Fortbildungen leitet. Bei akuten Beschwerden kann das Stechen mit den etwa streichholzlangen Nadeln ebenfalls helfen: „Aktuelle Studien zeigen, dass allergische Reaktionen sich im Durchschnitt um 50 Prozent lindern lassen.“ Die chinesische Medizin nimmt es problemlos mit den Histaminblockern der Pharmaindustrie auf.
Zusätzliche Vorteile bringt die Behandlung durch einen Arzt mit Akupunkturausbildung: „Der Arzt kann etwa mit standardisierten Testmethoden die individuellen Allergene genau bestimmen und bei akuten Beschwerden auch Medikamente verschreiben“, so Irnich.
Es muss ja nicht immer gleich ein konventioneller Histaminblocker sein. Verträglicher sind beispielsweise Präparate aus Heilpilzen wie dem asiatischen Reishi, in Europa unter dem Namen „Glänzender Lackporling“ bekannt. In der traditionellen chinesischen Medizin ist er seit Tausenden Jahren als „Pilz des langen Lebens“ bekannt.
ANSGAR WARNER