SPD-Linker Scheer über hessische Verhältnisse: "Soll Koch weiter regieren können?"

Der Kurswechsel der SPD in Hessen ist richtig. Denn alles andere nutzt nur der CDU - und der Linkspartei, meint SPD-Umweltexperte Hermann Scheer.

"Es wäre falsch, wenn die SPD die Linkspartei laufend stärker werden ließe." Bild: dpa

taz: Herr Scheer, wird Andrea Ypsilanti am 5. April zur Ministerpräsidentin gewählt?

Hermann Scheer: Ich vermute, dass sie sich auch dann zur Wahl stellt, wenn keine Ampel zustande kommt.

Und bekommt sie auch alle Stimmen der SPD-Fraktion?

Ich denke, ja. Ministerpräsidenten unerkannt nicht zu wählen -so etwas passiert meist überraschend. Und eher nicht, wenn alle Welt genau darüber redet.

Hessens SPD-Vizefraktionschef Jürgen Walter findet eine Wahl Ypsilantis mit Stimmen der Linken aber "falsch und gefährlich"

Und welche zumutbaren Alternativen schlagen er oder auch Steinbrück vor? Wenn man die Warner dies fragt, erntet man meist Schweigen. Eine große Koalition? Das wäre eine Art Superwortbruch für die SPD, weil die SPD-Wähler in Hessen als Allerletztes CDU-Politik wollen. Oder eine ganz schwache CDU-Minderheitsregierung unter Koch? Es wäre doch ein eklatanter Wortbruch, wenn die SPD eine Koch-Regierung ermöglichen würde.

Sie würde immerhin nicht in den Ruch kommen, mit der Linkspartei zu kooperieren.

Nein, noch nicht mal das. Soll die SPD denn dann in der Opposition keinen Antrag einbringen, dem die Linkspartei zustimmt, um nur ja dem Verdacht zu entgehen, mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten? Das ist doch absurd. Wer immer in der SPD die Stigmatisierung der Linkspartei als altkommunistisch mitmacht, schädigt sich selbst. Da sind doch viele Ex-SPDler drin, Ex-DGB-Landeschefs, Ex-SPD-Landeschefs.

Aber ist die neue Linie der SPD - Wahl Ypsilantis ja, danach aber kein Kontakt mit der Linksfraktion - keine Mogelpackung? Läuft es nicht faktisch auf eine Tolerierung hinaus?

Wenn Ypsilanti als Ministerpräsidentin einer Minderheitsregierung gewählt wird, muss sie mit allen Fraktionen arbeiten, um Mehrheiten zu organisieren. Das ist etwas anderes als ein formales Tolerierungsabkommen mit der Linkspartei. Das ist praktizierte parlamentarische Demokratie.

Aber es muss Absprachen mit der Linkspartei geben. Damit ist die Linie der SPD - keine Zusammenarbeit mit der Linken im Westen - hinfällig. Braucht ein solcher Kursschwenk keine offene, breite Debatte in der SPD?

Über die Frage, wie die SPD aus der babylonischen Gefangenschaft der großen Koalition herauskommt und wie sie die Linkspartei sieht, wird es eine breite Debatte geben. Kurt Becks Versuch, sich strikt von der Linkspartei abzugrenzen und sie so klein zu halten, war ja legitim

hat aber nicht geklappt

jedenfalls wäre es, und so sind auch Beck und Ypsilanti zu verstehen, falsch, wenn die SPD die Linkspartei laufend stärker werden ließe. Würde Koch trotz eklatanter Wahlniederlage weiter regieren, weil Ypsilanti nicht antritt, so würde die Linkspartei jeden Tag sagen können: Ihr könnt das auch anders haben. Wen würde das wohl stärken? Man kann doch nicht so tun, als wäre die Linksfraktion nicht da. Das hat doch neurotische Züge.

INTERVIEW: STEFAN REINECKE

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