Schweiz im Steuerskandal: "Beihilfe ist Zeitbombe"

Die Schweiz kann sich aus dem Skandal nicht heraushalten, meint Finanzexperte Andreas Missbach. Schließlich seien es ihre Banken, die Stiftungen in Liechtenstein einrichten.

Die Credit Suisse wirbt damit, dass Datenklau in der Schweiz nicht stattfinden könnte. Bild: dpa

taz: Herr Missbach, bisher konzentriert sich die Steuer-Affäre auf Liechtenstein. Wird sie auch auf die Schweiz übergreifen?

Andreas Missbach: Die Schweizer Banken vermitteln den Eindruck, als würden die Steuerhinterziehungen in Liechtenstein sie nichts angehen. Das ist ein Witz. Hinter jeder Steueroase steckt ein etablierter Finanzplatz - und für Liechtenstein ist das Zürich. Zum großen Teil sind es Schweizer Banken, die die Stiftungen in Liechtenstein einrichten und führen.

SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hat bereits Maßnahmen gegen die Schweiz angekündigt. Löst das in Ihrem Land Sorgen aus?

Alle direkten Angriffe des "großen" Deutschlands auf die "kleine" Schweiz rufen hier sofort nationalistische Abwehrreaktionen hervor.

Also verteidigen alle Schweizer das Bankgeheimnis?

Das bestreite ich. Frühere Umfragen der Schweizer Bankiervereinigung haben gezeigt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung dafür ist, das Bankgeheimnis bei Steuerhinterziehung aufzuheben. Daraufhin hat die Bankiersvereinigung dieses Thema bei den nächsten Umfragen gestrichen.

Wie sicher ist das Schweizer Bankgeheimnis? Die Crédit Suisse wirbt damit, dass ein Datenklau wie in Liechtenstein in der Schweiz nicht stattfinden könnte.

Dabei haben wir hier einen ähnlichen Fall: Von der Bank Baer sind Kontendaten im Umlauf. Es betrifft allerdings nur Schweizer Kunden. Zudem dürfen die Schweizer Finanzämter diese Informationen nicht verwenden, weil das steuerliche Bankgeheimnis natürlich auch in der Schweiz gilt.

Dann kann also jeder Schweizer seine Steuern hinterziehen?

Nein. Alle Angestellten müssen ihren "Lohnausweis" beim Finanzamt einreichen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Normalbürgern, die keine Steuern hinterziehen können, und den Leuten mit Vermögen. Daher beginnen sich auch die Schweizer zu fragen, wer vom Bankgeheimnis profitiert und wer die Zeche zahlt.

Aber eine Volksinitiative gegen das Bankgeheimnis gibt es noch nicht?

Bisher wird nur sehr heftig über Managementgehälter diskutiert. Da gibt es auch eine Volksinitiative mit dem schönen Titel "Gegen Abzockerei". Sie hat durchaus Chancen durchzukommen.

Was glauben Sie: Wie lange kann die Schweiz ihr striktes Bankgeheimnis verteidigen?

Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist eine Zeitbombe. Aber ob die Liechtenstein-Affäre jetzt der terminale Skandal ist, das ist Kaffeesatzleserei. Eine Frage ist: Wie lange hält der Druck aus Deutschland an?

Welche realen Druckmöglichkeiten hat Steinbrück?

Deutschland ist ein bedeutender Markt für die Schweiz. Es würde die Exportindustrie empfindlich treffen, wenn der Kapitalverkehr erschwert würde. Aber es wird auch wichtig sein, ob Barack Obama die US-Wahlen gewinnt.

Wieso ist Obama so entscheidend?

Er hat im US-Senat einen Gesetzentwurf unterstützt, der Steueroasen bekämpfen will. Wenn Obama als Präsident bei diesem Kurs bleiben würde, könnte die OECD wieder Druck auf die Schweiz ausüben. Diesen multilateralen Ansatz hat US-Präsident Bush bisher verhindert.

Wieviele Stellen würden in der Schweiz verloren gehen, wenn das Bankgeheimnis gelockert würde?

In der Vermögensverwaltung arbeiten rund 30.000 Menschen. Aber die Schweiz ist ja nicht nur wegen der Steuervermeidung attraktiv: Die Banken verfügen hier über ein hohes Know-how bei der Beratung. Wahrscheinlich würden maximal 10.000 Stellen verloren gehen.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN

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