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Archiv-Artikel

Unendliche Weiten

Über Werte und Moral der Medien muss viel mehr diskutiert werden – aber bitte, bitte nicht so wie beim 10. Mainzer MedienDisput

AUS MAINZ PEER SCHADER

Wenn Medienmenschen sich lustig machen wollen über die Politik, dann reden und schreiben sie gern vom „Raumschiff Berlin“, weil ihnen dort, wo regiert und opponiert und koaliert wird, alles so abgehoben vorkommt, so fern der Realität, eben wie aus einer anderen Galaxie. Vermutlich färbt das irgendwann ab. Also eröffnete Commander Kurt Beck den 10. MedienDisput im Raumschiff Mainz am vergangenen Donnerstag Genre-echt mit einer Videobotschaft.

Das war ein kleiner Schock, weil Beck sonst immer, immer, immer persönlich da ist, wenn das Land Rheinland-Pfalz, die Landesmedienanstalt LMA und die Friedrich-Ebert-Stiftung jährlich zur Selbstbeschäftigung ins ZDF-Konferenzzentrum einladen, und dann ein flapsig-lustiges Interview zum Auftakt bietet, das einen für die anschließenden Plauderrunden entschädigt. Diesmal aber hatte Beck im Raumschiff Berlin Wichtigeres zu tun und schickte Martin Stadelmaier, Kapitän der Mainzer Staatskanzlei, als Stellvertreter.

Und Stadelmaier legte los. Gegen die Heuschreckenpanik im Fall der Berliner Zeitung: „Ich kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Wenn ausländische Investoren Medien in Deutschland übernehmen, hagelt es Kritik, wenn deutsche Verlage sich aber in halb Osteuropa einkaufen, werden sie dafür gelobt!“ Gegen die ARD, die den Gebührenstreit vorm Verfassungsgericht klären will: „Es wird keine Sieger geben. Die öffentlich-rechtlichen Sender werden sich über das Urteil noch wundern.“ Und gegen die Landesmedienanstalten, deren Filialleiter in Rheinland-Pfalz, Manfred Helmes, zuvor mal wieder beansprucht hatte, ARD und ZDF mit kontrollieren zu wollen. Da sei Helmes wohl etwas „betriebsblind“, meinte Stadelmaier, und auf dessen Einwand, die Kontrollorgane arbeiteten hoch effektiv, entgegnete der Staatskanzleichef forsch: „Aber auch nur, wenn euch die Öffentlichkeit vorher auf einen Verstoß aufmerksam gemacht hat!“

Das war spaßig. Vielleicht wird Stadelmaier im nächsten Jahr wieder eingeladen. So wie Hans Jochen Vogel, der „aus dem Blickwinkel eines älteren Herren“ erklärte, dass ihm die Banalisierung, Skandalisierung und Hysterisierung der Medien ganz schön auf die Nerven gehe, weil das Thema der Veranstaltung nun mal „Werte“ waren, genauer: „(Medien-)Muster ohne Wert? Medien in der Wertefalle.“ Nein, das muss man nicht verstehen. Solche Veranstaltungen haben immer zweizeilige Titel, in denen wahllos Substantive aneinander gereiht werden. Vogel, der von Organisator Thomas Leif als „Legende“ angekündigt wurde und sich daraufhin für den netten „Nachruf“ bedankte, hat es auch nicht verstanden: „Sind die Medien in einer Falle, in der vorher die Werte waren – oder wie soll das gemeint sein?“, fragte er scherzhaft, aber berechtigt. Egal, um welches Thema es geht, im Endeffekt wird doch bloß wieder diskutiert, wie schlimm alles geworden.

Kurzum: Keine der sechs Diskussionsrunden, in denen die Medien auf ihre Werte abgeklopft werden sollten, lieferte zufrieden stellende Ergebnisse oder neue Erkenntnisse, sondern wirbelte bloß den üblichen Staub auf: „Big Brother“ und „Super-Nanny“ sind doof, ARD und ZDF machen zu viel Unterhaltung. Immerhin weiß man jetzt, dass auch ein gestandener Journalist wie SZ-Reporter Hans Leyendecker ziemlichen Blödsinn reden kann, wenn er erst predigt, Journalisten dürften keine Akteure sein, dann aber auf sein Engagement gegen die Montgomery-Übernahme der Berliner Zeitung angesprochen wird und sagt, das sei „etwas anderes“.

Man weiß auch, dass „RTL Aktuell“-Anchor Peter Kloeppel in seiner Redaktion regelmäßig über Werte diskutiert – manchmal leider erst, nachdem ein kritischer Beitrag ausgestrahlt wurde. Und man weiß, dass „Sabine Christiansen“ zum Trash-Fernsehen gezählt werden kann, wenn man den Regeln folgt, die Medienforscher Stephan Grünwald aufgestellt hat.

Ach ja – und während im Saal eifrig darüber diskutiert wurde, ob es erlaubt sei, dass die Industrie den TV-Sendern ihre Produkte zur Verfügung stellt und diese dafür ab und an hübsch in Szene gesetzt werden, stellte Sponsor DHL seine tolle Packstation vor und teilte Gummibärchen aus. Mal sehen, was die Themengeneriermaschine im kommenden Jahr ausspuckt. Dann ist hoffentlich auch Commander Beck wieder an Bord.