US-Reporter über den CIA: "Wir sind Anfänger"

Geheimdienste können Kriege verhindern und Terrorismus besiegen, sagt Tim Weiner, Reporter der "New York Times". Doch der miserable Zustand der CIA sei eine Gefahr - für die USA und den Rest der Welt.

"Die Briten betreiben seit 500 Jahren Spionage, die Chinesen seit 2.500 Jahren." Bild: dpa

taz: Herr Weiner, vom militärischen Desaster in der Schweinebucht über die gescheiterten Mordanschläge auf Fidel Castro bis zu 9/11 - warum besteht Ihre Geschichte der CIA aus Pleiten und Pannen?

Tim Weiner: Die CIA ist fast immer zu spät gekommen oder hat versagt. Als der Ajatollah Chomeini triumphal nach Teheran zurückkehrte, wusste die CIA gar nicht, wer der Mann war und was die Verbindung von Politik und Religion bedeuten würde. Dabei hatte der Geheimdienst dem Weißen Haus noch ein Jahr zuvor erklärt, eine Revolution läge in weiter Ferne. Ich versuche aber in meinem Buch kein CIA-Bashing, sondern erkläre im Einzelnen, worauf das Versagen beruhte und wie schwer man es der Agency gemacht hat.

Wieso ist die CIA denn so unfähig?

Viele Präsidenten haben die CIA verabscheut und auf ihre Mitarbeiter als unfähige Trottel herabgeblickt. Wie aber soll der Geheimdienst seine erste Mission - dem Präsidenten die Wahrheit zu berichten - erfüllen, wenn der Präsident von nichts hören will, was seiner Politik im Weg steht? Es war ja auch nie die CIA, die Mordinstrumente entwickelt und den Präsidenten aufgedrängt hat. Sondern die Regierungen haben nach solchen Waffen gefragt und sich des Geheimdienstes bemächtigt - bis hin zur Vorbereitung des Irakkriegs, als die CIA unbedingt Beweise für Waffen bereitstellen sollte, die es nicht gab. Der Irakkrieg ist das größte Desaster der Agency.

Wo liegen die aktuellen Probleme der CIA?

Die Hälfte der heutigen CIA-Mitarbeiter haben weniger als fünf Jahre Erfahrung. Sie sind nicht gut genug, um ins Ausland zu reisen. Die CIA ist nicht die allmächtige, alles sehende, allwissende Organisation, die Berge bewegen und Regierungen stürzen kann. Aber gerade weil die USA so mächtig sind, brauchen sie einen guten Geheimdienst. Da kann man keiner anderen, auch befreundeten, Nation vertrauen. Fremde Mächte ohne einen funktionierenden Nachrichtendienst einschätzen zu wollen, wäre Wahnsinn: eine Verschwendung von Blut und Geld. Da können selbst Großmächte scheitern.

Sie behaupten, die CIA befinde sich fast in einem Zustand der Auflösung. Woran machen Sie das fest?

George Tenet, Direktor der CIA von 1997 bis 2004, beschrieb die Organisation, die er vor zehn Jahren geerbt hatte, als eine "brennende Ölplattform" in der Nacht. Der nächste Präsident der USA - egal, ob er Obama, McCain oder Clinton heißt - muss den Dienst reformieren. Er muss lernen, den Nachrichten der CIA zu lauschen und nicht umgekehrt die CIA zum Werkzeug von Beweisen für seine vorgeformte Politik zu machen - so wie Bush im Irak. Gut, dass sich alle drei Präsidentschaftskandidaten gegen die Folter als Mittel zur Wissensbeschaffung durch die Geheimdienste ausgesprochen haben. Der neue Präsident wird aber auch das Image der CIA in der Welt drastisch verbessern müssen, wenn es überhaupt noch gelingen soll, gute Agenten im Ausland anzuwerben. Im Kalten Krieg war das einfacher als heute.

Was müsste die CIA in Zukunft ändern?

Der Krieg, in den wir zurzeit verwickelt sind, ist vor allem ein Krieg der Information und der Ideen. Und wir werden ihn auf der Grundlage unseres Geheimdienstwissens entweder gewinnen oder verlieren, so viel steht fest - nicht mit intelligenten Bomben oder nuklearen Unterseebooten. Kenne deinen Feind! Das geht nur, wenn man mit Menschen redet. Doch von den 20.000 Mitarbeitern der CIA sind nur etwa 2.000 im Ausland stationiert, viele können nicht einmal die Sprache des Einsatzlandes.

Hat die CIA nach dem Desaster im Irak nicht wenigstens Fortschritte gezeigt, als sie - entgegen Präsident Bush - behauptete, die Iraner hätten ihr Atomprogramm schon voreinigen Jahren eingestellt?

Ja. Ich glaube, diese Analyse beruht auf einer verbesserten Aufklärungsarbeit. Allerdings glaubt der Präsident jetzt ohnehin nicht mehr, was ihm die CIA sagt. Im Sommer 2004, als es in Bagdad sehr ungemütlich wurde, wurde Bush gefragt, ob die CIA ihn nicht über mögliche negative Entwicklungen nach Saddam Husseins Sturz gewarnt hatte. Und Bush sagte, die CIA habe alles Mögliche von sich gegeben und nur "geraten", wie es wird. Stellen Sie sich das vor: ein Geheimdienst, der nur "rät", wie die Lage ist. Damit hat Bush die CIA diskreditiert.

Warum werden zum Beispiel keine Araber rekrutiert, die in den USA leben?

Das haben Sie ein Problem. Es gibt eine Stadt bei Detroit, in der zahlreiche Syrer, Saudis, Palästinenser etc. leben. Nehmen wir an, einer von ihnen möchte für die CIA arbeiten. Dann wird er an einen Lügendetektor angeschlossen, und die erste Frage, die man ihm stellt, lautet: Haben Sie Verwandte in Ihrer Heimat? Und wenn der Mann Ja sagt, ist er automatisch draußen. Sie sehen: Man setzt auf Sicherheit, nicht unbedingt auf Effizienz. Aber Sicherheit und Effizienz sind oft zwei ganz verschiedene Dinge. So kommt es, dass in der CIA nur sehr wenige Mitarbeiter Arabisch sprechen.

Kann man Terroristen ausspionieren? Sie finden, gefangennehmen oder töten, dank geheimdienstlicher Erkenntnisse?

Es gab eine ganze Reihe von Versuchen, Ussama Bin Laden zu finden und gefangenzunehmen, und das ist bei einer Reihe von Topterroristen oder solchen der mittleren Ebene schon gelungen. Aber ihn im Grenzgebiet von Pakistan zu stellen, ist wie die berühmte Nadel im Heuhaufen. Wir waren auch schon nah dran - aber da hatten wir kurz vorher aus Versehen die chinesische Botschaft in Belgrad bombardiert und waren völlig verunsichert. Fest steht: Man kann den Krieg gegen den Terror nur über die Geheimdienste gewinnen. Gerade die Tatsache, dass Ussama Bin Laden noch am Leben ist, zeigt, dass wir in diesem Teil der Welt nicht über genügend gute Spione verfügen.

Sie selbst haben mehrere Sprachen der Region gelernt. Hat die CIA jemals mit Ihnen zusammengearbeitet?

Nein, nie. Das wäre undenkbar.

Fühlen Sie sich durch die CIA bedroht wegen Ihrer Arbeit?

Nein, sicher nicht. Denn wenn irgendetwas bei einer Aktion gegen mich schiefginge, wäre der Schaden unermesslich. Die CIA wurde in den Siebzigerjahren erwischt, als sie Amerikaner ausspitzelte. Dafür musste sie einen hohen Preis zahlen. Harry Trumans schlimmste Befürchtung war, die CIA könne sich in eine amerikanische Gestapo verwandeln. Nixon hat es den Job gekostet, als er versuchte, die CIA gegen die Aufklärungsarbeit des FBI einzusetzen.

Kann Amerika den "langen Krieg", wie es jetzt heißt, gegen den Terror gewinnen?

Absolut. Vergessen Sie nicht: Die CIA besteht seit sechzig Jahren. Das ist keine sehr lange Zeit. Die Briten betreiben seit 500 Jahren Spionage, die Chinesen seit 2.500 Jahren. Wir sind Anfänger auf diesem Gebiet, und wir sind nicht sehr gut dort. Mein Buch ist kein Angriff auf die CIA, sondern ein warnender Hinweis, dass wir besser werden müssen mit der Arbeit unserer Agenten. Ich bin für Spionage. Ich will, dass mein Land weiß, was in der Welt vorgeht. Denn wenn ein Geheimdienst erfolgreich ist, kann er Kriege verhindern.

INTERVIEW: WERNER BLOCH

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.