Kommentar Verurteilung Hus: Das Huhn und die Affen

Durch den Fortschritt hat die Meinungsfreiheit zwar zugenommen - doch mit der Verurteilung des Bürgerrechtlers Hu Jia statuiert China ein Exempel.

"Das Huhn töten, um den Affen zu erschrecken", lautet ein chinesisches Sprichwort. Diesem Motto folgt auch Pekings gegenwärtiges Vorgehen gegen Menschenrechtsaktivisten. Chinas rasanter wirtschaftlicher und sozialer Wandel sowie der technische Fortschritt haben dazu geführt, dass dort in den letzten Jahren die Meinungsfreiheit zugenommen hat. Die Menschen machen davon auch Gebrauch, trotz anhaltender Zensur. Doch diese ist nicht mehr allmächtig, sondern im Internetzeitalter - trotz der Kooperation westlicher IT-Konzerne bei der Überwachung - löchrig geworden.

Umso wichtiger scheint es deshalb für die Regierung zu sein, von Zeit zu Zeit abschreckende Exempel zu statuieren, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Urteile wie das jetzige gegen den chinesischen Bürgerrechtler Hu Jia sollen vor allem einschüchtern. Sie sollen demonstrieren, dass es weiter Tabus und Grenzen gibt, die nicht folgenlos überschritten werden dürfen. Hu wird besonders übel genommen, dass er im Ausland publiziert und mit ausländischen Journalisten gesprochen und dabei noch eine kritische Verbindung zum Prestigeevent der Olympischen Spiele gezogen hat.

Den Chinesen ist die potenzielle Macht der vierten Gewalt längst nicht mehr fremd. Westliche Korrespondenten, die in China über lokale Konflikte berichten, werden immer wieder von unzufriedenen Bürgern belagert und als eine Art Kummerkasten benutzt. Wenn sie schon bei den eigenen Stellen nicht das gewünschte Gehör finden, so das Kalkül der Unzufriedenen, dann soll wenigstens das Ausland vom erlebten Unrecht erfahren.

Die Vorstellung, dass zu den Olympischen Spielen im August mehr als 20.000 potenzielle ausländische "Kummerkästen" anreisen und von der Unzufriedenheit im Land berichten, muss für Chinas Führung ein Alptraum sein. Da sie mehr Berichterstattungsfreiheit zugesagt hat, kann sie jetzt nicht mehr so leicht den Bewegungsspielraum der ausländischen Berichterstatter einschränken (wie es im Falle Tibets trotzdem geschieht). So zeigt sie im Vorfeld der Spiele lieber der Bevölkerung die Grenzen der Meinungsfreiheit auf.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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