Kommentar Nato: Nato rüstet gegen Russland

Die Nato hat das US-Raketenabwehrsystem durchgewunken. Merkel hat ihre Zweifel an dem Projekt vergessen. Ein Beispiel für argumentfreie Rüstungspolitik.

Ohne viel Aufhebens haben die Nato-Staaten auf ihrem Gipfel in Bukarest die Pläne der USA für ein Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien durchgewinkt. Die deutsche Bundesregierung hatte bereits erklärt, warum der Raketenschild ein nicht weiter bemerkenswertes Thema sei. Dieses Abwiegeln wiederum ist bemerkenswert.

Denn wenn es darum geht, Russland nicht vor den Kopf zu stoßen, dann ist der Raketenschild vor ihrer Haustür für die Russen doch ein mindestens so großer Affront wie die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in den Nato-Beitrittsplan, die von Deutschland und Frankreich vorläufig verhindert wurde. Wenn aber der Raketenschild so nebensächlich sein sollte, wie jetzt behauptet wird, dann lässt sich kaum erklären, warum in der großen Koalition im vergangenen Jahr solche Aufregung darüber herrschte.

Dass US-Präsident George W. Bush an diesem Wochenende noch einmal in Ruhe mit Wladimir Putin darüber plaudern möchte, ändert daran nichts. Denn bei dem Raketenschild handelt es sich in der Tat um ein sehr teures und wahrscheinlich technisch nicht ausgereiftes Rüstungsprojekt, das dadurch nicht besser wird, dass die Nato ein ergänzendes Programm auflegen will beziehungsweise soll. Der Protest auf SPD-Seite dagegen ist verstummt, weil sich dort herumgesprochen hat, dass es Bundeskanzler Gerhard Schröder von der SPD war, der den Plan auf dem 2002er-Nato-Gipfel mit verabschiedet hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen hat ihre Zweifel an den US-Plänen offensichtlich schlicht vergessen.

Dabei wären noch so viele Fragen zu klären - vor allem die nach dem Sinn der Aktion. Da der Iran offenbar noch nicht imstande ist, atomar aufzurüsten, und die Weltgemeinschaft ihn auch daran hindern will, steht bislang dahin, welche Raketen mit den Abfangraketen eigentlich abgefangen werden sollen. Welcher Art ist die Bedrohung, von der auch Merkel gestern in Bukarest sprach? Was kostet das am Ende die deutschen Steuerzahler? Wird es weitere Rüstungsprojekte geben? Nichts davon hat die Bundesregierung vor ihrer Zustimmung in Bukarest den Wählern verraten. Das nennt man wohl argumentfreie Rüstungspolitik.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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