Folgen eines potentiellen Atomschlages: Nuklearer Krieg zerstört Ozonschicht

Ein regionaler nuklearer Konflikt zwischen etwa Indien und Pakistan würde große Teile der Ozonschicht zerstören. Neue Studien schätzen diesen Effekt 1000mal höher ein, als bislang vermutet.

So kam die Bombe in die Welt: Erster Test am 16. Juli 1945 in New Mexico. Bild: dpa

BERLIN taz Es gibt keinen gewinnbaren Atomkrieg. Dies ist uns spätestestens klar, seit mit dem Treibhauseffekt auch die klimatischen Folgen eines Atomkrieges durchgespielt wurden. Hier ist ein weiterer Grund: Schon ein vergleichsweise begrenzter Konflikt, etwa zwischen Pakistan und Indien, würde, zusätzlich zum Leid und Elend der dortigen Bevölkerung, weltweit die Ozonschicht minimieren. Und so zusätzliche Krebsopfer, aber auch Ernteausfälle produzieren.

Michael Mills und Owen Toon von der Universität in Colorado haben durchgerechnet, wie stark ein Atomkrieg die Ozonschicht genau beeinträchtigen würde. Bei ihren Rechnungen gehen sie davon aus, dass Pakistan und Indien den Großteil ihrer insgesamt auf 110 Stück geschätzten Atomwaffen einsetzen würden.

Geht man von 100 Sprengköpfen der Größe der Hiroshimabombe aus, würden etwa 6,6 Millionen Tonnen Russ entstehen. Atmosphärenforscher jagten - konservativ - fünf Millionen Tonnen mehr an Ruß durch ihr Computermodell: Ein Teil des Rußes regnet herunter, der Rest steigt bis zu 80 Kilometer hoch in die Atmosphäre.

Die Rußteilchen absorbieren nun Sonnenlicht und heizen so die obere Atmosphäre auf. In der Stratosphäre, wo sich die Ozonschicht konzentriert, stiegen im ersten Jahr die Temperaturen um 30 bis 60 Grad über die normale Temperatur - und kurbelten so den Abbau von Ozon an. Außerdem würde durch die Erhitzung mehr Stickoxide nach oben getragen, was ebenfalls zum Ozonabbau beiträgt.

In den ersten fünf Jahren würde dadurch mindestens ein Fünftel des Ozons verschwinden, in mittleren Breiten 25 bis 45 Prozent und in den nördlichen Breiten gar bis zu 70 Prozent. Dadurch würde sich das Riskio, an Krebs zu erkranken, in den mittleren Breiten zweieinhalb mal so groß wie normal, im Norden gar mehr als dreimal so hoch. Nach fünf Jahren würde der Effekt langsam wieder abklingen und die Ozonschicht sich regenerieren. Die Ozonschädigung wäre rund um den Faktor 1000 größer, als noch in ersten Rechnungen in den 1980ern angenommen. Das liegt daran, dass die heutigen Modelle auch die Prozesse in den höheren Luftschichten in Betracht ziehen - und über mehrere Simulationsjahre laufen können.

Bereits im vergangenen Jahr wiesen Mediziner darauf hin, dass ein solcher Waffengang zwischen zwei kleineren Atommächten auch die Welternährung gefährden würde. Denn während sich die Stratosphäre durch den Ruß aufheizt, kühlt sich die Erdoberfläche entsprechend um rund eineinviertel Grad ab. Dadurch verkürzt sich die Weizensaison um zehn bis zwanzig Tage - mit entsprechenden Ernteinbußen. Ira Helfand von Ärzten für Soziale Verantwortung, einer amerikanischen Anti-AKW-Initiative, rechnete in so einem Fall mit bis zu einer Milliarde Hungertoten, und weiteren Opfer durch Kriege um Nahrung.

Es ist schwer vorstellbar, welche politischen Folgen ein solcher regionaler Atomkrieg haben würde. Die direkten Auswirkungen dürften ebenfalls erheblich sein. Dabei ist der angenommene Waffeneinsatz gering. Wie bemerken die Autoren Mills und Toon in ihrer Studie doch so nüchtern: "Unser regionales Nuklearszenario umfasst den Einsatz von weniger als ein Promille der existierenden Atomwaffen."

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