Widerstand gegen Schulsterben: Sachsen lässt die Schule nicht im Dorf

Über eine Million Euro hat die Gemeinde Königswartha in ihre Schule gesteckt. Nun soll sie dichtgemacht werden. Über einen verzweifelten Versuch, das Schulsterben zu stoppen.

Obwohl ein Ende des ostdeutschen Schulsterbens in Sicht ist, soll die moderne Schule von Königswartha dran glauben müssen. Bild: dpa

"Sachsen macht Schule" heißt der Slogan des Kultusministeriums in Dresden. Aus Sicht der Bürger in Königswartha, einer kleinen Gemeinde zwischen Bautzen und Hoyerswerda, klingt das wie eine Verhöhnung. Denn dort will Sachsen die Schule zum Sommer dichtmachen.

Aus Protest dagegen hat der Gemeinderat des 4.000-Einwohner-Orts nun zu einem ungewöhnlichen Schritt gegriffen: Er ist vergangene Woche geschlossen zurückgetreten, obwohl das Gesetz das eigentlich nicht erlaubt. "Es gab keinen anderen Ausweg mehr", sagt Bürgermeister Georg Paschke (CDU).

So drastisch das Mittel, der Fall in Königswartha ist kein ungewöhnlicher für Ostdeutschland. Weit mehr als 4.000 Schulen haben seit den 90ern laut Zahlen des Statistischen Bundesamts dichtgemacht, allein 870 davon in Sachsen. Insbesondere auf dem Land gingen die Schüler aus. Doch das Problem existiert nicht nur im Osten. Bis 2020 werden auch im Westen die Schülerzahlen deutlich zurückgehen - während in den ostdeutschen Ländern ab 2009 sogar wieder leicht steigende Zahlen erwartet werden. Dort scheint also sogar ein Ende des Schulsterbens in Sicht.

"Ich werde keine Schulen mehr schließen", hatte deshalb der sächsische Kultusminister Steffen Flath (CDU) bereits verkündet. Umso enttäuschter sind die Königswarthaer, dass ihre Schule nun doch dichtmachen soll. Zumal mit ihrer Mittelschule keine marode Klitsche vor dem Aus steht: Neue Computer, neuer Physikraum, eine renovierte Turnhalle, Hausaufgabenzimmer, Schülercafé - 1,5 Millionen Euro hat die Gemeinde nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren in die Schule gesteckt.

Ines Krause ist fassungslos. Sie ist Vorsitzende der Elternvertretung, ihr zwölfjähriger Sohn Paul geht in die siebte Klasse der Mittelschule. "Die Schule ist so was von fit. Und nun soll sie geschlossen werden", klagt sie. "Wie erklären Sie das den Kindern?"

Die Chancen, dass die Mittelschule in Königswartha noch zu retten ist, stehen jedoch schlecht. Zweimal haben die Königswarthaer vor Gericht schon verloren, derzeit liegt die Klage gegen die Schließung beim Verwaltungsgericht.

Das Problem ist: Mindestens 40 Schüler müssten sich jährlich für die fünfte Klasse an der Mittelschule anmelden, so schreibt es das Schulgesetz vor. In den letzten beiden Jahren waren es aber nur weniger als 30. Deswegen gibt es an der Schule inzwischen nur noch die Klassenstufen sieben bis zehn. Nur noch 124 Schüler besuchen die Schule, in den 90ern konnten fast viermal so viele hier ihren Haupt- oder Realschulabschluss machen.

Nun sollen die Schüler auf die Mittelschule ins 15 Kilometer entfernte Lohsa gehen. Immerhin: ein nicht allzu weiter Weg. Doch das Absurde ist: Die Schule in Lohsa müsste erst saniert werden. 6,5 Millionen Euro soll das kosten.

Das Kultusministerium will das dafür nötige Fördergeld allerdings so lange zurückhalten, bis die Gemeinde Königswartha ihre Klage zurückzieht. Der Landkreis hat den Königswarthaern sogar damit gedroht, die Schüler könnten in einer Übergangszeit in Containern lernen, wenn die Gemeinde ihre Blockadehaltung nicht aufgebe.

Astrid Günther-Schmidt, bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, wirft den Behörden deshalb "Erpressung" vor. Von solchen Vorwürfen will man im Kultusministerium nichts wissen. "Der Ärger ist verständlich", sagt ein Ministeriumssprecher. "Aber an der bitteren Wahrheit, dass es zu wenige Schüler gibt, kommen wir nicht vorbei." Günther-Schmidt sieht das anders. Ihrer Meinung nach sollten auf dem Land Ausnahmen für die Mindestschülerzahl gelten.

Auch die Menschen in Königswartha wollen nicht so schnell aufgeben, wie der zivile Ungehorsam des Gemeinderats zeigt. "Wenn die Schule schließt", sagt Elternvertreterin Krause, "bricht das Leben in der Gemeinde zusammen."

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