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Archiv-Artikel

Tanzen in sozialen Brennpunkten

Die Düsseldorfer Tanzpädagogin Amelie Jalowy

Amelie Jalowy steht nicht auf schwarz-weiß. Sondern auf rot. „Rot ist markant“, sagt sie. Auffällig rot ist der Teppich auf dem sie steht, das Motorrad, das sie fährt; rot sind ihre Haare. Markant ist auch die Arbeit der Leiterin des Rocktanztheaters in Düsseldorf. Zwischen dem Logistik-Service und einem Telefonanbieter, mitten zwischen den Fabrikhallen, da wo Flingern noch so aussieht, wie es sein alter Ruf ahnen lässt, genau zwischen Fortunas Flinger Broich und dem altehrwürdigen zakk – da tanzt sie. Eine ungewöhnliche Gegend für eine Tänzerin, die ihre Ausbildung am Alwin-Ailey-Dance-Center in New York absolvierte. Trotzdem passt die Umgebung: Amelie Jalowy tanzt nicht einfach so klassisch. Die 39-Jährige geht in die Schulen in sozialen Brennpunkten und tanzt mit den Jugendlichen.

Die brauchen das, sagt Amelie: „Die werden mit viel zu vielen, viel zu schnellen und viel zu perfekten Bildern der Musiksender zugeballert.“ Sie tanzt auch mit Jugendlichen, die noch weiter unten sind – mit jugendlichen Straftätern. Finanziert werden diese Projekte mal von der Stadt, mal durch Kulturprogramme oder von einzelnen Schulen selbst. Genau da liegt für Amelie Jalowy das Problem. Solche Projekte sind finanziell wie zeitlich begrenzt. „Wenn ich dann endlich an einer Sonderschule richtig motivierte Leute hab, heißt es: So, dass muss reichen. Wir müssen zur nächsten Schule.“ Dabei sei Kontinuität wichtig, damit überhaupt etwas hängen bleibe. „Die Jugendlichen müssen an die Hand genommen werden.“ Da reiche es nicht aus, drei mal einen Kurs abzuhalten, selbst dann eine Tanz-AG aufzubauen und weiter zu führen. Doch die Tanzlehrerin wehrt sich gegen die stereotype Einteilung in soziale Schichten. „Ich habe da Familien erlebt, die super fit waren, nur vielleicht die Sprache nicht können“. Talentierten Jugendlichen, egal aus welcher sozialen Schicht, gibt sie die Möglichkeit in ihrer Halle zu trainieren. An fehlender Kontinuität kranke auch das Projekt mit den jugendlichen Straftätern.

Das liegt allerdings mehr an äußeren Umständen als organisatorischer oder finanzieller Situation. Denn in der Landeshauptstadt bleiben die jugendlichen und ausschließlich männlichen Straftäter nur während der U-Haft. „Da ist die Fluktuation schon sehr groß.“ Die Arbeit selbst gestalte sich jedoch spannend. Probleme, die die Jugendlichen mitbringen, werden ins Tanzen eingearbeitet. „Wenn die sich richtig gefetzt haben, sag ich auch: He, bevor ihr auch gleich kloppt, schaut mal wie ihr hier damit umgehen könnt.“ Dabei sei oft etwas „erstaunlich Ehrliches“ herausgekommen.

Wichtig ist Amelie Jalowy, den Jugendlichen, egal ob reiche oder arme oder gar aus dem Knast, zu vermitteln, dass „sie etwas bewegen können, wenn sie dranbleiben“, wie die quirlige kleine Frau mit dem Nasenring betont. Ziel sei es mit ihrer Arbeit Grenzen aufzuweichen, seien sie nun generationenbedingt oder sozialer oder kultureller Natur. Und niemanden gleich schwarz oder weiß zu sehen. Sondern auch mal rot. DÉSIRÉE LINDE