Kommentar: Ver.di braucht eine neue Strategie

Nach derimonatigem Arbeitskampf bei der BVG hat die Dienstleistungewerkschaft ihr Gesicht gewahrt. Doch bei genauem Hinsehen schmiltz der Erfolg zusammen.

4,6 Prozent mehr Lohn. Das hört sich erst mal ganz gut an. Es ist zwar deutlich weniger als die 8 bis 12 Prozent, die Ver.di zu Beginn des BVG-Streiks gefordert hat. Es ist jedoch auch deutlich mehr als gar nichts. Und gar nichts war exakt das, was die BVG ihren langjährig Beschäftigten drauflegen wollte. Dennoch kann Ver.di sich nicht als Sieger präsentieren. Denn selbst nach dem härtesten Berliner Arbeitskampf seit vielen Jahren, selbst nach dem längsten BVG-Streik aller Zeiten ist es der Gewerkschaft gerade mal gelungen, das Gesicht zu wahren.

Denn bei genauem Hinsehen schmilzt der Erfolg schnell zusammen. Die Einmalzahlung von 500 Euro gleicht in der Regel nicht einmal die Lohneinbußen aus, die die BVG-Mitarbeiter durch den Streik hatten. Ab August dürfen dann die Altbeschäftigten mit einem Zuschlag von gut 2,5 Prozent rechnen. Das entspricht ziemlich exakt der aktuellen Inflationsrate. Real ändert sich also nichts im Portemonnaie der Fahrer. Und kommendes Jahr wird es noch dürftiger. Das vereinbarte weitere 1 Prozent mehr Lohn wird die Kaufkraftverluste nicht ausgleichen. Ende 2009, wenn der Tarifvertrag ausläuft, werden die ältesten BVGler folglich weniger in der Tasche haben als zu Beginn des Streiks. Kein Wunder, dass sich die Fahrer nicht wieder freudig hinters Steuer klemmen.

Zudem kennen sie nun die Schwäche ihrer Gewerkschaft. Denn wenn ein landeseigenes, defizitäres Unternehmen bestreikt wird, ärgert das nur die Kunden. Der Finanzsenator, der die BVG-Verluste aus dem Berliner Haushalt ausgleichen muss, freut sich über jeden nicht gefahrenen Kilometer. Der Sparminator Thilo Sarrazin durfte außerdem auf einen für ihn ungewohnten Rückhalt vertrauen. Denn selten war so offensichtlich, dass jeder Cent mehr für die BVGler letztlich von den Berlinern zu tragen ist. Sei es über Einsparungen an andere Stelle oder über die nun schon angedeuteten Fahrpreiserhöhungen.

Ver.di muss sich dringend überlegen, wie sie beim nächsten Streik besser punkten kann. Denn der wird sicher kommen. Anfang 2010.

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