Klimawandel taut Dauerfrostboden auf: Schleichendes Erdbeben in Grönland

Unter Grönlands Straßen und Häusern schmelzen die Fundamente. Asphalt und Mauern sacken ab. Deshalb wollen Forscher nun die Straßen mit flüssigem Kohlendioxid kühlen.

Weil das Eis schmilzt, sind viele Gebäude und Straßen gefährdet. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Rissige Hausfassaden, absackende Straßen, die Achterbahnen ähneln und Hohlräume unter Flugplatzpisten: In Grönland sind die Folgen der Klimaänderungen keine ferne Zukunft. Steigende Temperaturen lassen den Permafrost tauen und weichen die Fundamente von Gebäuden und Verkehrsinfrastruktur auf. Denn der ewige Frost hat sich als endlich erwiesen.

Forscher schlagen deshalb Alarm: "Wir müssen jetzt etwas tun, um die Straßen noch zu retten", sagt Arne Villumsen vom Zentrum für arktische Technologie der dänischen Technischen Universität. Denn der Dauerfrostboden verschwindet schnell. Um einen Grad haben sich einige Regionen im Süden Grönlands in den letzten 20 Jahren erhitzt. Und ein Anstieg der jährlichen Durchschnittstemperatur um ein Grad bewirkt, dass sich der Permafrost um 20 bis 25 cm tiefer in den Untergrund zurückzieht. Bis zu 80 Prozent des Volumens des dauergefrorenen Bodens können aus Eis bestehen. Taut dieses, kann es zu massiven Bodensenkungen kommen - wie ein schleichendes Erdebeben.

Gleichzeitig weiten sich auch die aktiven Bodenschichten aus, die jeweils im Sommer auftauen und sich dann in eine nicht mehr tragfähige Schlammschicht verwandeln. Zudem ist der Boden unter Straßen sowie Start- und Landebahnen von Flugplätzen betroffen. Schließlich wärmen sich diese auch im Winter oft schneefreien Oberflächen bei Sonneneinstrahlung noch mehr auf.

Das dänische meteorologische Institut rechnet für Grönland in den kommenden 40 Jahren mit einem Temperaturanstieg von drei bis vier Grad, in einigen Regionen an der Westküste sogar mit mehr als 6 Grad. Und die Meteorologen schätzen, dass dies unter Wegen und Straßen zu einem Rückzug des Permafrosts bis in eine Tiefe von zwei bis drei Metern führt.

Im Ergebnis wird die Schmelze ganz andere Bautechniken als bislang üblich erfordern. Besonders problematisch sei aber die Übergangsperiode, berichtet Arne Villumsen. So planen Ingenieure nun, Straßen und Flugpisten kurzerhand zu kühlen. Dies soll mit Rohren erfolgen, welche man in vier bis fünf Meter Abstand unter den Asphalt oder Beton legt und mit flüssigem Kohlendioxid auffüllt.

Kälte aus der umgebenden Luft wird mit dieser Kühlflüssigkeitunter die Straßenoberfläche geleitet und Wärme entsprechend von dort weggeschoben. Eine teure Technik, die man schon lange bei Erdölleitungen in Alaska verwendet und ähnlich in Permafrostregionen bei der chinesischen Lhasa-Eisenbahn in Tibet eingesetzt hat.

Billiger ist die Verwendung einer kreideweißen Spezialfarbe, die - mit Asphalt gemischt - den Effekt hat, Sonnenlicht zu reflektieren. Ein Test auf der Landebahn des Flugplatzes Sønderstrømfjord zeigte Wirkung: Unter weiß gestrichenem Asphalt hielt sich der Permafrost einen Meter näher an der Oberfläche als unter schwarzem. In Thule hat man deshalb die gesamte Landebahn weiß gestrichen.

Will man Häuser retten, die nicht von vorneherein auf Fels gebaut wurden, hilft allerdings keine Farbe mehr. Hier sollen Pfahlkonstruktionen mit eingebauten Kühlelementen zum Einsatz kommen. Diese will man jetzt vor allem bei solchen Bauwerken testen, die teilweise auf Fels, teilweise auf ehemaligem Permafrost errichtet wurden. Diese sind besonders gefährdet. "Bei solchen Gebäuden ist nur eine Haushälfte ständig in Bewegung", sagt Arne Villumsen: "Wenn das Eis schmilzt, senkt sie sich. Und im Winter drückt das Eis einen Teil des Hauses wieder nach oben."

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