Rollenspiele für Asiens Textilfabrikarbeiter: Standards gemeinsam erarbeiten
Mit dem Ansatz "Dialog statt nur Kontrolle" sollen die Arbeits- und sozialen Bedingungen bei asiatischen Zulieferern verbessert werden.
BERLIN taz Arbeiter von Textilfabriken in China, Thailand und Bangladesch sollen in Zukunft nicht nur nähen, sondern auch Rollenspiele durchführen - zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Derart sieht es ein Pilotprojekt der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Kooperation mit dem Einzelhandelsunternehmen Tchibo vor.
Kern der Idee: Statt wie bisher die sozialen Standards von Unternehmerseite zu diktieren, sollen sie "vor Ort", in Zusammenarbeit mit Arbeitern, Management und gesellschaftlichen Gruppen erarbeitet und umgesetzt werden. "Die Lieferanten sollen aktiv Verantwortung für die Produktionsprozesse übernehmen", erklärt Erich Stather, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), das das Projekt finanziell und politisch unterstützt.
Bisher habe es zwischen Einkäufern und Zulieferern praktisch keine Kommunikation über die Sozialstandards gegeben, sagt Achim Lohrie, bei Tchibo Leiter des Bereichs Unternehmensverantwortung. Die Standards würden von den Unternehmen in den Industriestaaten vorgeschrieben - und dann eingehalten oder auch nicht. "Man redet nicht miteinander, sondern fordert", erklärt Lohrie. Das solle sich nun ändern.
40 Betriebe, die Textilien und Non-Food produzieren, mit einer Größe von 200 bis 1.000 Mitarbeitern hat das Unternehmen daher ausgewählt, an dem Pilotprojekt teilzunehmen. Drei Jahre soll der Versuch laufen und dann gegebenenfalls ausgedehnt werden. "Ob das Projekt erfolgreich war, können wir ganz konkret überprüfen: weniger Überstunden, bessere Bezahlung, Gesundheitsschutz und gewerkschaftliche Organisation", sagt Lohrie. Wenn sich ein Zulieferbetrieb weigere, an dem Projekt teilzunehmen, behalte man sich auch eine Kündigung des Vertrags vor. Dem widerspricht sein Vorstand, Markus Conrad: "Wenn wir den Auftrag entziehen, können wir sicher sein, dass wir das Gegenteil von dem erreichen, was wir wollen."
Das sieht auch Evelyn Bahn vom Inkota-Netzwerk so, das in der Clean Clothes Campaign (CCC) mitarbeitet. "Tchibo braucht nicht denken, dass es seine Verantwortung los ist, wenn es seine Zulieferer schult." Doch viel stärker kritisiert Bahn die finanzielle Umsetzung des Projekts. Denn von den 2,6 Millionen Euro, die Schulung, Infrastruktur und Ähnliches kosten, schießt das BMZ 45 Prozent zu. "Es kann nicht sein, dass sich Unternehmen ihre soziale Verantwortung über Steuergelder finanzieren", sagt Bahn. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr machte der Kaffeeröster nach eigenen Angaben einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro.
Trotzdem schließt Lohrie nicht aus, dass die Produkte für den Verbraucher teurer werden: "Wir müssen einfach sehen, wie sich das letztlich auf den Preis auswirkt." Dann sollten sich die Arbeitsbedingungen aber "sehr verbessern", sagt Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut. Denn der Lohnanteil bei einem Kleidungsstück liege oft nur zwischen 0,4 und 0,6 Prozent.
Leser*innenkommentare
Anne
Gast
Weniger als 1% am Endpreis sind also Lohnkosten der Zulieferbetriebe, und da schwätzen Tchibo u.a. von Preiserhöhungen, falls die Sachen unter Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards (der ILO u.s.w.) hergestellt werden? Da sieht mensch doch die Verlogenheit dieser Marketingstrategien. Die Kritik an der Finanzierung des "Projekts" durch das BMZ kann ich nur unterstreichen. Ich schlage vor, um die Würde des Menschen ... zu schützen (vgl. GG Art I) ist gesetzlich zu regeln: 1. Die verkaufenden Unternehmen müssen eine komplette Liste der Zulieferbetriebe jederzeit vorlegen können. 2. Sie müssen die Vergabe aller Aufträge davon von Vornherein explizit gegenüber allen Zulieferern abhägig machen. 3. Unangemeldete und unabhängige internationale Kontrollen überprüfen die Einhaltung der ILO Standards und andere, z.B. auch bzgl. Umweltschutz, v.a. bzgl. Luft/Wasserverschmutzung/vergiftung etc.
4. Produkte, die unter Verstößen hergestellt wurden, dürfen nicht importiert und verkauft werden. Sind sie bereits in der EU oder der BRD werden sie beschlagnahmt und die Handelsunternehmen mit hohen Geldbußen belegt.
Wer von Menschenrechten redet, wie es die Regierunge der EU ständig tun, sollte sie auch ernst nehmen, wenn mal die "eigene Wirtschaft" gefordert ist.