Verkehr: Berlin ist mit dem Radl da

Nicht nur bei der Sternfahrt treten Radfahrer massenweise in die Pedale. Auch im Alltag werden sie immer mehr. Mehrere Rad-Routen werden in diesem Jahr fertig, kündigt die Verwaltung an. Selbst Umweltschützer sagen: Im Radverkehr tut sich was.

Ab in den Sattel: Am Sonntag findet wieder die Sternfahrt statt. Bild: AP

An diesem Sonntag gehören die Straßen wieder den Radfahrern. Wie in den vergangenen Jahren werden sich zur Sternfahrt voraussichtlich Hunderttausende in den Sattel schwingen und über Autobahnen und Hauptstraßen bis zum Brandenburger Tor rollen. Autofahrer dürften es angesichts der Sperrungen schwer haben. Sie sollten den Wagen am besten gleich stehen lassen - wie es sich eine Jugendinitiative wünscht, die gemeinsam mit dem Senat zum autofreien Sonntag aufruft.

Gelebte Utopie, 24 Stunden lang, und dann ist der Spuk wieder vorbei? Nicht ganz. Denn das Fahrrad wird auch im Alltag der Berliner ein immer wichtigeres Fortbewegungsmittel. Radfahrer machen inzwischen 12 Prozent des Verkehrsaufkommens aus, sagt Heribert Guggenthaler, der in der Verkehrsverwaltung das Referat Straßenplanung leitet. Das heißt: Jeden Tag werden im Schnitt 1,2 Millionen Fahrten mit dem Rad bewältigt. Von 2004 bis 2007 haben sich die Zahlen um ein Fünftel erhöht, so Guggenthaler.

Und sie werden weiter wachsen: Wegen der steigenden Benzinpreise schwingen sich die Menschen in die Sättel. Auch beim BVG-Streik wichen viele auf das Rad aus - und stellten fest, dass man damit oft schneller ans Ziel kommt als im Auto oder mit der Bahn. Selbst Touristen bewegen sich inzwischen mit Vorliebe auf zwei Rädern durch die Stadt (siehe unten).

Das Behörden versuchen, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten und die Infrastruktur zu verbessern. So soll in diesem Jahr der letzte Abschnitt des Europaradwegs R1, der Berlin vom Wannsee bis nach Köpenick durchquert, geschlossen und ausgeschildert werden, kündigte Guggenthaler an. Auch der Berliner Teil des Radwegs nach Usedom, der vom Schlossplatz aus Richtung Norden führt, sei fast fertig - genau wie der Radweg nach Kopenhagen.

Die touristischen Strecken machen nur einen Teil des Berliner Radverkehrsnetzes aus. 1995 hatte der Senat entschieden, zwölf strahlenförmig vom Schlossplatz zum Stadtrand verlaufende "Radialrouten" einzurichten. Sie werden ergänzt durch acht "Tangentialrouten", die zusammen einen äußeren und einen inneren Ring bilden. Dieses sogenannte Fahrradrouten-Hauptnetz ist inzwischen zu 95 Prozent umgesetzt, sagt Guggenthaler. Das Ziel: "Bis 2010 wollen wir innerhalb des S-Bahn-Rings alle Routen auch ausgeschildert haben." Um neue Wege zu bauen, alte zu sanieren und Streifen auf den Asphalt zu pinseln, stehen der Verwaltung für 2008 insgesamt rund sechseinhalb Millionen Euro zur Verfügung.

Also alles bestens in der Fahrradstadt Berlin? Nicht ganz. "Noch immer gibt es Straßenzüge wie die Turmstraße oder die Schlossstraße, wo die Radfahrer sich selbst überlassen sind", kritisiert Martin Schlegel, Verkehrsreferent beim BUND. Doch er sieht auch viele Fortschritte. "Die Umsetzung vieler Planungen läuft. Im Radverkehr tut sich in Berlin mit Abstand am meisten."

Die Chefin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Berlin, Sarah Stark, ist da skeptischer. "Sicher, Berlin wird fahrradfreundlicher. Aber es passiert noch nicht genug." Die Invalidenstraße, der Tempelhofer Damm und die Sonnenallee seien Beispiele dafür, dass auf Radfahrer vielerorts keine Rücksicht genommen werde. Stark klagt auch über bürokratische Hürden. Für die Einführung einer Radspur müssten zahlreiche Stellen in den Verwaltungen ihr Einverständnis geben. Vor allem die Bezirke hätten aufgrund der Sparpolitik zu wenig Mitarbeiter, die Pläne blieben oft liegen. "Von der Idee eines Fahrradstreifens bis zu seiner Umsetzung dauert es drei Jahre. Das ist zu lange."

Und noch etwas trübt die Freude am Fahrradfahren in Berlin: Mehr als die Hälfte der Verkehrstoten in den vergangenen Jahren waren Fußgänger und Radler - weil sie schlechter geschützt sind als die Autofahrer. "Diese Unfallziffern müssen wir senken", sagt Guggenthaler.

Bis 2010 will der Senat den Anteil des Radverkehrs auf 15 Prozent steigern. Guggenthalers Prognose für 2050: "Ich wünsche mir, dass der Radverkehr den Autoverkehr zumindest auf kürzeren Strecken übertrifft. 30 Prozent sollten wir schon schaffen."

Der beste Routenplaner für Fahrradfahrer in Berlin:

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