Kommentar Milchstreik: Power to the Bauer
Ein eiertanzender Seehofer, Molkereien und Einzelhandel, die Preise diktieren können - der Streik der Milchbauern ist die Konsequenz aus dieser festgefahrenen Lage.
Die deutschen Milchbauern schätzen ihre Lage richtig ein: Helfen können sie sich nur selbst. Dass sie auf die Politik nicht setzen können, beweist der populistische Eiertanz von Agrar- und Verbraucherminister Horst Seehofer. Als die Milchpreise im vergangenen Jahr stiegen, kämpfte er an der Seite der Kunden für niedrigere Preise - nun, wo diese im Keller sind, unterstützt er die Forderung der Landwirte nach höheren Vergütungen.
Auch auf die Heilungskräfte des Marktes können die Bauern nicht vertrauen. Die Molkereien sind vielerorts regionale Monopole, die Wettbewerb und Preisverhandlungen verhindern. Und die großen Handelsketten haben so viel Marktmacht, dass sie die Preise einseitig diktieren können.
Die Landwirte reagieren darum konsequent, wenn sie diesem faktischen Kartell jetzt ihr eigenes Produzentenkartell entgegensetzen wollen. Wenn in Deutschland weiterhin Milch produziert werden soll - und das wollen sowohl VerbraucherInnen als auch die Politik -, dann müssen dafür Preise gezahlt werden, die höher sind als die Herstellungskosten und nicht, wie derzeit, deutlich niedriger.
Durchsetzen können die Bauern das nur gemeinsam. Bei der Umsetzung dieser Erkenntnis zeigen sie eine erstaunliche Entschlossenheit. Ein großer Teil beteiligt sich trotz hoher finanzieller Einbußen seit Tagen am Lieferboykott. Um zu verhindern, dass "Milchstreikbrecher" diesen unterlaufen, blockieren sie nun vielerorts zudem die Molkereien. Eine neue Stufe der Eskalation, die aber nur konsequent ist, um das Ziel höherer Preise zu erreichen. Und von einem Erfolg würden ja auch jene Landwirte profitieren, die jetzt quasi zum Boykott gezwungen werden.
Erste positive Signale von Molkereien und Supermarktketten zeigen, dass die Chancen für die Bauern nicht schlecht stehen. Gestärkt wird ihre Position zudem dadurch, dass die Landwirte aus dem benachbarten Ausland die Lücke nicht freudig füllen, sondern ihre deutschen Kollegen mit eigenen Streiks und Boykottmaßnahmen unterstützen. Es ist ermutigend, dass Solidarität auch auf internationalisierten Märkten möglich ist - und sogar zum Erfolg führen kann.
Kommentar Milchstreik: Power to the Bauer
Ein eiertanzender Seehofer, Molkereien und Einzelhandel, die Preise diktieren können - der Streik der Milchbauern ist die Konsequenz aus dieser festgefahrenen Lage.
Die deutschen Milchbauern schätzen ihre Lage richtig ein: Helfen können sie sich nur selbst. Dass sie auf die Politik nicht setzen können, beweist der populistische Eiertanz von Agrar- und Verbraucherminister Horst Seehofer. Als die Milchpreise im vergangenen Jahr stiegen, kämpfte er an der Seite der Kunden für niedrigere Preise - nun, wo diese im Keller sind, unterstützt er die Forderung der Landwirte nach höheren Vergütungen.
Auch auf die Heilungskräfte des Marktes können die Bauern nicht vertrauen. Die Molkereien sind vielerorts regionale Monopole, die Wettbewerb und Preisverhandlungen verhindern. Und die großen Handelsketten haben so viel Marktmacht, dass sie die Preise einseitig diktieren können.
Die Landwirte reagieren darum konsequent, wenn sie diesem faktischen Kartell jetzt ihr eigenes Produzentenkartell entgegensetzen wollen. Wenn in Deutschland weiterhin Milch produziert werden soll - und das wollen sowohl VerbraucherInnen als auch die Politik -, dann müssen dafür Preise gezahlt werden, die höher sind als die Herstellungskosten und nicht, wie derzeit, deutlich niedriger.
Durchsetzen können die Bauern das nur gemeinsam. Bei der Umsetzung dieser Erkenntnis zeigen sie eine erstaunliche Entschlossenheit. Ein großer Teil beteiligt sich trotz hoher finanzieller Einbußen seit Tagen am Lieferboykott. Um zu verhindern, dass "Milchstreikbrecher" diesen unterlaufen, blockieren sie nun vielerorts zudem die Molkereien. Eine neue Stufe der Eskalation, die aber nur konsequent ist, um das Ziel höherer Preise zu erreichen. Und von einem Erfolg würden ja auch jene Landwirte profitieren, die jetzt quasi zum Boykott gezwungen werden.
Erste positive Signale von Molkereien und Supermarktketten zeigen, dass die Chancen für die Bauern nicht schlecht stehen. Gestärkt wird ihre Position zudem dadurch, dass die Landwirte aus dem benachbarten Ausland die Lücke nicht freudig füllen, sondern ihre deutschen Kollegen mit eigenen Streiks und Boykottmaßnahmen unterstützen. Es ist ermutigend, dass Solidarität auch auf internationalisierten Märkten möglich ist - und sogar zum Erfolg führen kann.
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Kommentar von
Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert. Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
Ein Plädoyer für das Konkrete
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