KNALLTÜTEN IN 3-D

VON RALF SOTSCHECK

In der Grafschaft Kerry im Südwesten Irlands leben merkwürdige Menschen, die einen sonderbaren Dialekt sprechen. Und stets wählen sie den Merkwürdigsten unter ihnen ins Dubliner Parlament. 14 Jahre lang war das Jackie Healy-Rae, ein Kneipier mit Gummistiefeln und Tweedmütze. Für seine Unterstützung der jeweiligen Regierung wurde er mit neuen Straßen für seinen Wahlkreis und dem Vorsitz des Umweltausschusses belohnt. Da er sich in der Großstadt aber nicht wohlfühlte, ließ er sich bei den Sitzungen des Ausschusses nur selten sehen. Vor zwei Jahren zog sich der damals 80-Jährige aus der Politik zurück.

Da Parlamentssitze im ländlichen Irland vererbbar sind, gewann sein Sohn Michael Healy-Rae das Mandat. Ein anderer Sohn, Danny Healy-Rae, ist Bezirksverordneter in Kerry. Er hat neulich bei der Ratsversammlung einen interessanten Antrag gestellt. Weil Pubs – wie sein eigener – auf dem Land wegen des Fahrverbots unter Alkoholeinfluss immer mehr Kundschaft verlieren und allein lebende Menschen zum Suizid neigen, forderte er, dass die Polizei Sondergenehmigungen ausstellt, die es Einsamen gestatten, nach dem Pubbesuch betrunken nach Hause zu fahren. Allerdings sollten sie nur wenig befahrene Straßen benutzen und höchstens 30 Kilometer pro Stunde fahren dürfen. „Die Menschen auf dem Land müssen wegen der Gesetze ihre Flasche Whiskey zu Hause trinken“, argumentierte er, „und dann fallen sie in tiefe Depressionen und bringen sich um.“ Ein Pubbesuch könnte da Abhilfe schaffen.

Da der 3-D-Bezirksverordnete – „drink, drive, die“ – nicht die einzige Knalltüte im Bezirksrat ist, wurde sein Antrag mit fünf zu drei Stimmen angenommen. Auf die näherliegende Idee, sich für einen anständigen öffentlichen Nahverkehr einzusetzen, kam niemand. Die meisten Bezirksverordneten waren der Abstimmung vorsichtshalber ferngeblieben, da sie nicht mit solch törichtem Vorschlag in Verbindung gebracht werden, aber auch nicht als Spielverderber gelten wollten. Danny Healy-Raes Bruder Michael legte den Antrag auf eine Gesetzesänderung vorige Woche dem Parlament vor. Transportminister Leo Varadkar weigerte sich zum Entsetzen der Landeier jedoch, sich mit dem Antrag überhaupt zu befassen. Er finde es „schwierig, auf einen Vorschlag zu antworten, der die Fortschritte bei der Verkehrssicherheit“ unterminiere, sagte er.

Die Abgeordnete Clare Daly hatte offenbar angenommen, dass Healy-Raes Vorschlag bereits umgesetzt worden sei. Sie wurde vorigen Montag „in einer Gegend, in der ich mich nicht auskenne“, mit Alkohol am Steuer geschnappt, weil sie an verbotener Stelle gewendet hatte. Sie sei auf einer Familienfeier gewesen, und dort habe man ihr einen heißen Whiskey gegen ihre Erkältung eingeflößt, entschuldigte sie sich. Auf Gnade der Polizisten konnte sie nicht hoffen. Sie hatte sich Ende vorigen Jahres vehement für Verfahren gegen Polizeibeamte eingesetzt, die sich von Autofahrern bestechen ließen, um deren Strafpunkte aus der Verkehrssünderkartei zu streichen.