Kommentar: Bockig, bocklos, Sarrazin

Die SPD stänkert gegen die Linke

Die Berliner SPD hat vom Koalitionspartner Linke deutlich mehr Engagement in der Regierungsarbeit eingefordert. Landes- und Fraktionschef Michael Müller erklärte, die Linken verschleppten zahlreiche Regierungsprojekte. In der SPD-Fraktion gebe es deswegen eine "zunehmende Unzufriedenheit". Es müsse endlich erkennbar werden, dass Kinderschutz, der Masterplan für Vivantes und die Ausgestaltung von Hartz IV politische Schwerpunkte des Senats sind, sagte Müller dem Tagesspiegel. Im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes "hat die SPD ein Stoppschild aufgestellt" - weil die Linke viel zu schnell zu viel versprochen habe, so Müller weiter. Zuvor hatte Finanzsenator Thilo Sarrazin seine Polemik gegen die Linke verteidigt. Im TV-Sender N24 hatte er auf den angeblichen Linke-Slogan "Arm, ärmer, SPD" mit "Dumm, dümmer, Linke" geantwortet. "Darauf bin ich eigentlich recht stolz", sagte Sarrazin am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. In der Sendung ging es um Sozialpolitik und Armut in Deutschland.

Man möchte in diesen Zeiten alles sein, nur nicht Sozialdemokrat. Bislang galt dieser Stoßseufzer eher für die Bundes-SPD und ihren Vorsitzenden, den die FAS schon seit langem als "Das Grauen vom Lande" verspottet.

Inzwischen hat der Bazillus Sozialdemocraticus auch die Berliner SPD erwischt, und die Keimschleuder ist einmal mehr Finanzsenator Thilo Sarrazin. "Dumm, dümmer, PDS", trompetete der, als er im Plasberg-TV gefragt wurde, was ihm zu "arm, ärmer, SPD" einfalle. Dümmer gehts nimmer.

Ein Ausrutscher, typisch Thilo? Nicht ganz. Auch SPD-Landeschef Michael Müller äußert sich zunehmend kritisch über den Koalitionspartner. Interessant ist, was er der Linken vorhält: Hartz IV, Vivantes oder Kinderschutz - allesamt Themen, bei denen die Linke punktet.

Tatsächlich rutscht nicht nur die Beck-SPD auf dem Hosenboden die Kellertreppe runter, auch die Müller-Sozis schwächeln: 27 Prozent wollen Wowi und Co. laut Infratest dimap noch, die Linke steigt auf 18 Prozent. Die bundesweite Sehnsucht nach Gerechtigkeit macht auch der Berliner SPD zu schaffen.

Fragt sich nur, ob verbale Ausfälle, offensichtliche Eifersüchteleien oder plumpe Plagiatvorwürfe das richtige Gegenmittel sind. Das Problem der SPD ist nicht nur der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit, sondern auch das der eigenen Glaubwürdigkeit.

Umso wichtiger wäre daher nicht ätzen, sondern werben. Gerade die frisch ernannte Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan böte der SPD die Möglichkeit zu zeigen, dass sich weltoffen sein, gerecht und sympathisch nicht ausschließen. Aber vielleicht stellt sich Sarrazin diesem Anspruch gar nicht mehr. Wer so redet, macht bald die Fliege. Bockig, bocklos, Sarrazin.

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