Streit um Reform des Personenstandsrechts: Harem könnte bald legal werden
Politiker fürchten, mit der geplanten neuen Eheregelung ließen sich bald zwei Partner heiraten - einmal kirchlich, einmal standesamtlich. Auch die Imam-Ehe sei dann legal, sagen Islamkritiker.
BERLIN taz Wird Deutschland künftig Harem-Land? Das zumindest fürchten Frauenrechtlerinnen und Politiker verschiedener Parteien. Der Grund: Bislang musste ein Pärchen, wenn es kirchlich heiraten wollte, dies zunächst standesamtlich tun - ohne staatliche Bestätigung gab es keine Ehe unter Gott. Schummeln war nicht möglich. Mit der Reform des Personenstandsrechts, die der Bundestag bereits im letzten Jahr beschloss, fällt diese Bedingung ab Januar 2009 jedoch weg. Sowohl eine rein zivilrechtliche als auch eine rein kirchliche Ehe sind dann möglich.
"Die Vermutung, dass man kirchlich den einen, zivilrechtlich den anderen Partner heiraten kann, liegt auf der Hand", staunt FDP-Innenexperte Max Stadler. Er rechne zwar nicht damit, dass dies massenhaft geschehe. "Aber diese Frage muss die Bundesregierung schleunigst klären." Es müsse eindeutig geregelt sein, dass Kirchen und Standesämter bei Hochzeitswilligen prüften, ob einer der beiden Partner bereits verheiratet sei oder nicht. Die geplante Neuregelung sieht die Berichtspflicht bei den Hochzeitswilligen. Da ließe sich eine kirchliche Trauung schon mal unterschlagen.
"Das ist ein bizarrer Widerspruch", findet auch der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic, die Reform des Personenstandsrechts. "Juristisch gesehen zählt die Kirchentrauung zwar nicht als Ehe, aber im Bewusstsein der Menschen ist man dann mit zwei Partnern verheiratet", glaubt der Linke-Politiker.
Weder vom federführenden Innenministerium noch vom Justizministerium gab es am Sonntag eine offizielle Stellungnahme dazu, ob Vielehen tatsächlich im Sinne des Gesetzgebers seien. Im BMI hieß nur, maßgeblich sei weiterhin die Zivilehe. Nur aus ihr folgten rechtliche Wirkungen für die Ehepartner, wie etwa Unterhaltsregelungen oder Steuerfreibeträge.
Die Zulassung rein religiöser Eheschließungen könnte nach Meinung der türkischen Frauenrechtlerin Seyran Ates insbesondere in der muslimischen Bevölkerung erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. "Die Imam-Ehe ist dann völlig legal", sagte Ates der taz. Hierzulande sei künftig erlaubt, was in der Türkei rechtlich verboten sei. "Da fallen alle Hemmungen weg. Deutschland öffnet der muslimischen Zwangsheirat und der Vielehe damit Tür und Tor", kritisierte die Rechtsanwältin. Nach muslimischem Recht dürfe ein Mann schließlich bis zu vier Frauen heiraten. Diese hätten aber in rein religiös geschlossenen Ehen weitaus weniger rechtliche Absicherungen als in staatlichen Ehen. "Diese Regelung muss rückgängig gemacht werden", forderte sie.
Das könnte tatsächlich passieren. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz kündigte jedenfalls Gespräche über eine Korrektur der Reform nach der Sommerpause an. Bei ihm gingen "die Warnlampen an", sagte er der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. "Da ist uns etwas durchgegangen", wurde er zitiert. Außer Mehrfachehen und arrangierten Ehen fürchte er auch im Hinblick auf Sekten ernsthafte Schwierigkeiten für Frauen und Kinder. "Wenn ein Bruchteil der Befürchtungen, die man haben kann, Wirklichkeit wird, dann erleben wir einen massiven Rückfall in Zeiten, die wir lange hinter uns haben", sagte Wiefelspütz.
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