Mehr Transparenz für gesetzlich Versicherte: Das 150-Milliarden-Euro-Gremium

Gesetzlich Versicherte sollen in Zukunft besser einsehen können, warum ihre Krankenkkasse manche Leistungen zahlt, andere jedoch nicht.

Volljährige Diabetiker müssen ihr Insulin selbst zahlen. Warum, weiß keiner. Bild: dpa

BERLIN taz Warum erhalten volljährige Diabetiker künstliches Insulin nicht mehr auf Kosten ihrer gesetzlichen Krankenkasse? Und ab wann sind Frühuntersuchungen auf Hautkrebs für Versicherte kostenfrei? Über potenziell lebenswichtige Fragen wie diese entscheidet ein kaum bekanntes, aber machtvolles Gremium: der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Seit Jahrzehnten kritisieren Patientenvertreter, Verbraucherschützer und Politiker, die kleine Runde urteile selbstherrlich, welche Leistungen die heute 70 Millionen gesetzlich Versicherten von ihrer Krankenkasse erhalten. Das soll sich nun ändern. Künftig verhandelt der Ausschuss öffentlich. Doch Patientenvertretern und Experten reicht das nicht.

Auf Druck des Bundesgesundheitsministeriums hat sich das Gremium am Donnerstag in Berlin neu gegründet. Die Zahl der Unterausschüsse schrumpft auf acht, statt sechs Beschlussgremien gibt es nur noch eins, und dessen monatliche Sitzungen finden größtenteils öffentlich statt. Wenn es dort um Schmerzmedizin oder Impfungen gehen wird, prophezeit der Ausschussvorsitzende Rainer Hess, werden diese Sitzungen gut besucht sein. "Aber wir müssen den Umgang mit der Öffentlichkeit noch üben", gab der seit 2004 amtierende Hess zu.

In den vergangenen vier Jahren hat der Ausschuss, der über die Verwendung von 150 Milliarden Euro Versichertenbeiträge mitentscheidet, 430 Beschlüsse gefasst. Zwei Drittel davon brachten neue Leistungen auf Kassenkosten mit sich. Jüngstes Beispiel sind Hautkrebs-Frühuntersuchungen. In einem Drittel der Fälle entschied das Gremium, Therapien nicht mehr zu bezahlen, weil es sie als teurer, aber nicht wirksamer einstufte. Mit dieser Begründung strich der G-BA unter anderem künstliches Diabetiker-Insulin aus dem Leistungskatalog.

Im Entscheidungsgremium des Ausschusses sind je zwei Vertreter von Krankenhäusern und Kassenärzten sowie ein Entsandter der Kassenzahnärzte vertreten. Ihnen gegenüber sitzen gleichfalls fünf Personen vom neuen Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Patientenvertreter dürfen seit vier Jahren mitreden, aber auch künftig nicht mit abstimmen. Zu ihnen zählt Stefan Etgeton vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Etgeton will in den kommenden vier Jahren ein Abstimmungsrecht erreichen, allerdings nur bei Verfahrensfragen: "Der Ausbau der Patientenbeteiligung ist noch nicht erreicht."

Kritiker bemängeln seit langem den Einfluss von Pharmaunternehmen auf den Ausschuss. Daher fordern Gesundheitsexperten wie Peter Sawicki, die Studien der Industrie nach und nach durch unabhängige Universitätsstudien zu ersetzen. Sawicki ist Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das den Gemeinsamen Bundesausschuss berät. Untersuchungen der Hersteller zielten oft auf größere Verbreitung der Arzneimittel ab. Sawicki sieht die Lobbyarbeit der Industrie pragmatisch: "Warum sollten die Firmen auch Studien machen, die ihnen marktwirtschaftlich nichts nutzen?" MATTHIAS LOHRE

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