piwik no script img

"Engagement gibt den Ausschlag"

Die Zahl der Stipendien steigt. Viele Studierende wissen nicht, dass es mehr als Bafög gibt, sagt Autorin Douma.

"Viele hören erst mitten im Studium, dass es neben dem Bafög Stipendien gibt. So hat man frühestens bei der Promotion Chancen." Bild: ap

taz: Frau Douma, die Chancen für Studierende, ein Stipendium zu bekommen, stehen so gut wie lange nicht. Wie kommts?

Eva Douma: Ganz einfach: Das Bildungsministerium hat die Mittel der elf großen Begabtenförderwerke auf rund 110 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt.

Das reicht für 6.500 zusätzliche Stipendiaten - bei 2 Millionen Studierenden insgesamt. Nicht sehr viel.

Das stimmt. Dennoch haben neben den Begabtenförderwerken auch private Stiftungen in den letzten Jahren stark expandiert.

Der Markt ist unübersichtlich. Wie viele Stipendiengeber sind es in Deutschland?

Ich habe mir 100 Stiftungen genauer angeschaut, die Studenten im Erststudium fördern. Das sind aber noch lange nicht alle. Viele Stiftungen sind allerdings so klein und die Kriterien so eng gefasst, dass kaum noch jemand darunter fällt. So gibt es etwa eine Stiftung, die Waisen aus dem Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz unterstützt. Wer diese Kriterien erfüllt, hat aber gute Chancen, das Stipendium auch zu erhalten. Allein schon wegen fehlender Konkurrenz.

Trauen sich zu wenige, Stipendien zu beantragen?

Jedenfalls finden selbst einige der Begabtenförderwerke nicht genügend geeignete Bewerber. Und das liegt nicht daran, dass es sie nicht gibt.

Sondern?

Viele wissen einfach nichts von den Fördermöglichkeiten. Viele hören erst mitten im Studium, dass es neben dem Bafög Stipendien gibt. So hat man frühestens bei der Promotion Chancen. Aus Gesprächen mit Stipendiaten weiß ich, dass die allerwenigsten von sich aus auf die Idee kommen, sich um ein Stipendium zu bemühen. Die meisten bewerben sich erst, wenn sie ermuntert werden - von Eltern, Lehrern, Geschwistern oder Professoren. Oft bestimmt der Zufall.

Die Studienstiftung des Deutschen Volkes will den Zufall nun eingrenzen. Anstatt wie bisher ausschließlich über Empfehlung soll dort die Begabtenauswahl in Zukunft über einen bundesweiten Test möglich sein. Eine gute Idee?

Auf jeden Fall ist im Moment eine Menge in Bewegung, viele Förderwerke weiten den Kreis potenzieller Stipendiaten aus. Wobei die zentrale Frage dann natürlich ist: Wer ist eigentlich begabt?

Und, wer ist begabt?

Wenn man sich die Kriterien der Förderwerke anschaut, dann ist nie allein die fachliche Leistung, sondern immer auch gesellschaftliches oder politisches Engagement und die Persönlichkeit ausschlaggebend. Aber spätestens bei der Kategorie Persönlichkeit wird es ja sehr weich.

Das heißt, alle Studierenden sind potenziell begabt?

Wer nichts anderes macht, als auf seine Klausuren zu lernen oder Party zu machen, der braucht sich nicht um ein Stipendium zu bemühen. Und auch, wer sich überall engagiert, aber keinen einzigen Schein zusammenbekommt, sollte es sein lassen. Aber Überflieger, die auf allen Gebieten begabt sind, sind eben auch äußerst selten.

Wie gut muss man mindestens sein, um Chancen auf ein Stipendium zu haben?

Wer zu den oberen zehn Prozent gehört, was die Noten betrifft, hat gute Chancen, genommen zu werden. Bei einigen Stiftungen sogar das obere Drittel. Und welche Form des gesellschaftlichen Engagements dann dazukommen sollte, hängt natürlich stark von der jeweiligen Stiftung ab.

Eine Gruppe, die bisher bei Stipendien weitgehend außen vor geblieben ist, sind Migranten. Warum tut sich hier so wenig?

Alle Förderwerke und Stiftungen sagen zumindest, dass sie in Zukunft das Potenzial unter Migranten und unter Studierenden aus bildungsfernen Schichten stärker berücksichtigen wollen. Dazu kommen einige private Förderprogramme speziell für Migranten …

… etwa das der Vodafone-Stiftung, die allerdings nur rund 30 Studenten unterstützt.

Und die gehören noch dazu fast alle zu den Superbrillanten.

Selbst der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ist jetzt erst eingefallen, sich mit einem Programm gezielt an Erstsemester aus einkommensschwachen Elternhäusern und Migrantenfamilien zu richten.

Warum hatten diese Studenten bisher das Nachsehen?

Migranten, noch dazu wenn sie aus bildungsfernen Elternhäusern stammen, engagieren sich nicht so oft ehrenamtlich in der Hausaufgabenhilfe. Dafür erledigen sie aber häufig von klein auf die Ämterwege der ganzen Familie und kümmern sich um die Geschwister. Das ist auch eine Form des sozialen Engagements, nur eben nicht in institutionalisierter Form. Bei der Bewerbung um Stipendien gibt es dafür jedoch selten Pluspunkte. Aber für die Migranten gilt - wie für alle Studierenden: Man muss sich auch trauen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!