Jesse Jackson kritisiert Barack Obama: Wie ein Weißer

Viele schwarze Wähler und Politiker haben Angst vor Obamas Erfolg. Vielleicht ist das der Grund, warum Bürgerrechtler Jesse Jackson Barack Obama gerne "die Eier abschneiden" würde.

So schwarz wie das Auto, in dem er sich spiegelt, wünscht sich Jesse Jackson Barack Obama. Bild: ap

Jesse Jackson, der schwarze Präsidentschaftskandidat von 1984 und 1988, ist ein guter Rhetoriker, wenn er öffentlich spricht. Im kleineren Kreis kann der charismatische Bürgerrechtsanführer hingegen richtig derb werden. Was dem Prediger vor wenigen Wochen im Studio des TV-Senders Fox da herausrutschte, war jedenfalls weder subtil noch erhebend. Er würde Barack Obama am liebsten die Eier abschneiden, flüsterte Jackson einem Mitgast in der Annahme zu, dass die Mikrofone abgeschaltet sind.

Der Ausrutscher offenbarte einen Graben zwischen Jackson und Obama, der sich schon früher angedeutet hatte. Jesse Jackson hatte den Spitzenkandidaten seiner Partei, den er offiziell unterstützt, schon einmal dafür kritisiert, dass er sich benehme wie ein Weißer. Die Kastrationsandrohung hatte einen ähnlichen Hintergrund: Obama hatte bei einer Vatertagsrede schwarze Väter dazu ermahnt, mehr Verantwortung für ihre Familien zu übernehmen. So von oben herab Schwarze zu belehren, fand Jackson, sei Ausdruck einer Sklavenhaltermentalität. Die Episode offenbarte allerdings nicht nur persönliche Spannungen zwischen dem langjährigen Gesicht der schwarzen Bewegung und dem jungen Shootingstar. Sie zeigte einen tieferen Konflikt zwischen der alten Garde der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und Obama, den seine Vorgänger nur äußerst zögerlich als neuen Vertreter des schwarzen Amerika anzuerkennen bereit sind. Obama hat das schwarze Amerika bei Weitem nicht so geeint hinter sich, wie man das vermuten mag.

Die meisten schwarzen Anführer, seit Langem eng mit der Familie Clinton verbandelt, haben sich zwar wie Jackson mittlerweile zähneknirschend Obama angeschlossen. Mit ihren Vorbehalten halten sie jedoch kaum hinter dem Berg. Für Politiker wie Jackson und seine Generationsgenossen ist Obama nicht schwarz genug - weder von seiner Herkunft noch von seiner politischen Agenda her. Anders als für Jackson in seinen Kampagnen sind für Obama nämlich die weiterbestehende wirtschaftliche und soziale Diskriminierung von Schwarzen in Amerika keine Prioritäten seines politischen Programms.

Größer noch als die Befürchtung, dass Obama keine schwarze Politik macht, ist unter den schwarzen Politikern daher die Angst, dass er im Falle seiner Wahl genuin schwarze Politik unmöglich macht. Obamas Erfolg birgt für sie die Gefahr, dass die amerikanische Gesellschaft glaubt, sie habe kein Rassenproblem mehr. "Die Weißen werden uns einfach nicht mehr zuhören", beschreibt etwa der schwarze Soziologe Lawrence Bobo auf der schwarzen Polit-Website The Root diese Angst. Tatsächlich seien schwarze Wähler mit der universalistischen Agenda Obamas aber weitaus besser dran, glaubt Bobo. Es sei ein großer Fortschritt, dass Obama die Mitte der amerikanischen Wählerschaft anspreche. Das werde sich für die Community auszahlen.

Trotzdem haben viele schwarze Wähler Angst vor den Folgen einer schwarzen Präsidentschaft. Und daher könnte es auch durchaus sein, so Matt Bai in der New York Times, dass Schwarze im November nicht so einheitlich für Obama stimmen, wie man das vielleicht erwartet. Das wiederum könne man aber auch als Fortschritt im Verhältnis der Rassen in Amerika werten: "Warum sollen Afroamerikaner anders als alle anderen Gruppen immer im Gleichschritt marschieren", zitiert Bai den schwarzen Bürgermeister von Philadelphia, Michael Nutter. Die Frage hätte von Obama selbst stammen können.

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