Kommentar Höhere Ärztehonorare: Prozente schaffen keine Gerechtigkeit

Die Einkommensverteilung bei den Ärzten ist ungerecht und muss verändert werden. Die Erhöhung der Arzthonorare allein ist keine Lösung.

Es ist schon eine interessante Relation: Der Kompromiss mit den Ärzten kostet in etwa so viel wie die Pflegereform, mindestens 2,5 Milliarden Euro. Doch in einem Fall verbessern sich Leistungen für Pflegebedürftige; im anderen Fall wird das Geld nur eingesetzt, um die Honorare der Mediziner um durchschnittlich zehn Prozent zu erhöhen. Über derart deutliche Gehaltssteigerungen hätten sich auch die Arbeitnehmer gefreut - doch ihre Nettolöhne sinken. Und von diesem schrumpfenden Einkommen sollen sie nun auch noch höhere Kassenbeiträge abzweigen, um die Honorarsteigerungen für die niedergelassenen Ärzte zu finanzieren.

Dabei wäre nichts dagegen zu sagen, die Honorare bestimmter Ärztegruppen zu erhöhen - nur gibt es eben Praxen, die das überhaupt nicht nötig haben. Längst entwickeln sich die Praxisumsätze so unterschiedlich wie die Gewinne eines Edelitalieners in München und die einer Currywurstbude in Angermünde. Ein Drittel der niedergelassenen Ärzte verfüge nur über ein Nettojahreseinkommen zwischen 14.000 und 18.000 Euro aus den Honoraren für die gesetzlich Versicherten, sagt die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die allerdings als Vertretung der Mediziner eher bemüht ist, deren Nettoeinkommen kleinzurechnen. Ungerecht behandelt fühlen kann sich daher, wer als Allgemeinarzt im Osten kaum Privatpatienten hat und zudem von den gesetzlichen Kassen weniger Geld für die gleiche Leistung erhält als ein Kollege in München. Die Honorarsteigerungen sollen zwar dem Osten stärker zugutekommen, aber sie sind weit davon entfernt, das regionale Gefälle und die unterschiedlichen Aufkommen an Privatpatienten auszugleichen. Die Frage der Verteilung zwischen Regionen, Fachgruppen, medizinischen Versorgungszentren und kleinen Landarztpraxen wird von den Ärzten zu wenig gestellt.

Im kommenden Jahr, wenn ärztliche Leistungen nicht mehr in Punkten, sondern in Euro und Cent abgerechnet werden, dürften diese Unterschiede deutlicher hervortreten. Vielleicht zeigt sich dann, dass regional gerechtere Entlohnung und Versorgung nicht zu haben sind, ohne dass gut gehende Arztpraxen etwas abgeben. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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