UN-Sanktionen verdünnt: EuGH stärkt Terror-Verdächtige

Betroffene von UN-Sanktionen genießen EU-Rechtsmittel, so der Europäische Gerichtshof in Urteil zu Terrorfinanzen.

Bislang hieß es, die Vorgaben des UN-Sicherheitsrats hätten Vorrang vor EU-Recht. Bild: dpa

LUXEMBURG taz Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Mittwoch eine weitreichende Entscheidung gefällt, die die Rechte von Verdächtigen im Anti-Terror-Kampf stärkt, potenziell aber jedem, der unter UN-Sanktionen steht, eine rechtliche Handhabe gibt. Der Gerichtshof erklärte eine EU-Verordnung für "nichtig", mit der die sogenannte "Terror-Liste" der UNO in europäisches Recht umgesetzt wurde.

Geklagt hatte der Saudi Yassin Abdullah Kadi und die in Schweden ansässige Stiftung Al Barakaat, mit deren Hilfe Exilsomalier Geld in die Heimat schicken konnten. Beide stehen seit Oktober 2001 auf einer Liste von Personen und Vereinigungen, die Kontakte zu al-Qaida und den afghanischen Taliban haben sollen. Deshalb wurden ihre Guthaben eingefroren, entsprechend einem Sanktionsbeschluss des UN-Sicherheitsrats.

Wer auf die Liste der davon Betroffenen kommt, bestimmt ein UN-Sanktionsausschuss. Die EU setzte die Vorgaben der UNO entsprechend ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen ohne weitere Prüfung um und verpflichtete die Banken, entsprechende Konten zu blockieren. Derzeit befinden sich mehrere hundert Personen und rund 100 Organisationen auf dieser Liste. Das EU-Gericht Erster Instanz hatte 2005 die Klagen noch rundweg abgelehnt. Vorgaben des UN-Sicherheitsrats hätten Vorrang vor EU-Recht, so die damalige Begründung.

Dieses Urteil hat der Europäische Gerichtshof jetzt in letzter Instanz aufgehoben. Jede EU-Handlung müsse auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten überprüfbar sein, erklärten die Richter. Zwar könne ein EU-Gericht nicht die UN-Resolution kontrollieren, aber doch den EU-Umsetzungsakt. Außerdem sei den Betroffenen die Aufnahme auf die Terrorliste nicht begründet worden.

Der EuGH erklärte die EU-Verordnung bezüglich der beiden Kläger für nichtig. Sie bleibt aber übergangsweise noch drei Monate in Kraft. In dieser Zeit muss die Kommission nun die Listung begründen und die Kläger können dann erneut das EU-Gericht Erster Instanz anrufen.

Grundsätzlich könnten nach diesem Urteil auch Personen, die aus anderen Gründen unter UN-Sanktionen stehen - beispielsweise wegen der Förderung von Kriegsverbrechen oder Brüchen von Waffenembargos in Somalia, Kongo oder Liberia -, den Klageweg beschreiten und damit die Anwendung der gegen sie verhängten Maßnahmen stoppen.

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