Apothekenketten drängen auf den Markt: Gewissensfrage für Apotheker

Dürfen Apotheken auch Kapitalgesellschaften statt nur selbständigen Apothekern gehören? Über diese Grundsatzfrage verhandelt jetzt der Europäische Gerichtshof.

In dieser Görlitzer Apotheke ist das rote Apotheker-A schon verschwunden - stattdessen wird mit dem grünen DocMorris-Kreuz geworben. Bild: dpa

LUXEMBURG taz Ein bisher gut abgeschotteter Markt steht vor dem Umbruch. Ausländische Apothekenketten und einheimische Drogerien drängen auf den deutschen Apothekenmarkt, der jährlich für 37 Milliarden Euro Umsatz steht. Die Entscheidung wird wohl vor Gericht fallen. Gestern verhandelte der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Grundsatzfrage, ob auch eine Aktiengesellschaft mit angestellten Apothekern in Deutschland Apotheken betreiben darf oder nur ein selbständiger Apotheker aus Fleisch und Blut.

Konkret geht es um die niederländische Firma DocMorris, die als Versandapotheke groß geworden ist und seit 2004 auch legal nach Deutschland liefern darf. Derzeit baut sie ein DocMorris-Franchise-Netz auf. Schon rund 100 selbständige Apotheker haben das rote Apotheken-A gegen das grüne Doc-Morris-Kreuz eingetauscht.

Eigentlich will das Unternehmen die Bundesrepublik aber mit einem Netz von firmeneigenen Apotheken erobern. Doch das ist bisher verboten. Deshalb gibt es bisher nur eine einzige deutsche DocMorris-Filiale mit angestellter Apothekerin. Der saarländische Gesundheitsminister Josef Hecken (CDU) genehmigte die Zweigstelle in Saarbrücken 2006 unter bewusster Missachtung des Apothekengesetzes, weil er das deutsche "Fremdbesitzverbot" für überholt hält. Apothekerverband und Apothekenkammer klagten gegen die Genehmigung. Jetzt muss der EuGH entscheiden.

Die Apotheker berufen sich auf den Gesundheitsschutz. Nur ein selbständiger Apotheker sei dem Berufsethos verpflichtet. "Kapitalgesellschaften sind einfach anfälliger für unrechtmäßiges Gewinnstreben", so das Argument des Apothekerverbands. Fachfremde, betriebswirtschaftlich orientierte Manager könnten die Angestellten dazu anhalten, bei der Beratungszeit zu sparen oder unnötige Arzneien zu empfehlen. "Eine Kapitalgesellschaft hat kein Gewissen", sagte ein italienischer Regierungsanwalt.

"Auch Einzelapotheker streben nach Gewinn", hielt der Vertreter des Saarlands dem entgegen. Auch ihre Beratungsqualität sei nicht immer überzeugend, zeigten Ergebnisse der Stiftung Warentest. DocMorris brüstete sich dagegen damit, dass die umstrittene Saarbrücker Filiale laut der saarländischen Apothekerkammer "gute Beratung" liefere.

Das Saarland und DocMorris wurden gestern nur von der EU-Kommission und Polen unterstützt. Zahlreiche EU-Staaten, einschließlich der Bundesregierung, positionierten sich aufseiten der Apotheker. Schließlich geht es auch um die Souveränität der nationalen Gesundheitspolitiken. Viele Staaten haben Angst, diese könnte mit Verweis auf die Niederlassungsfreiheit ausländischer Apotheken und Ärzte ausgehebelt werden.

Grundsätzlich sind Einschränkungen der Unternehmerfreiheit gerechtfertigt, wenn sie dem Gesundheitsschutz dienen. Ob das beim Verbot von Firmenapotheken der Fall ist, muss nun der EuGH entscheiden. Das Urteil wird Anfang nächsten Jahres erwartet.

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